Der Janson-Befehl
ferne, gedämpfte Dröhnen der See zu hören, die gegen die Felsen am Sockel der Landzunge anbrandete. Einige Vogelgeräusche - ein Kormoran vielleicht - und aus den Wäldern im Süden das Summen und Schrillen tropischer Insekten. Das war die akustische Kulisse der Nacht, und sie würden gut daran tun, sich ihrer bewusst zu sein. Sich völlig lautlos zu bewegen war unmöglich: Stoff wetzte an Stoff, Nylonfasern dehnten sich an Gliedern und zogen sich wieder zusammen. Sohlen, selbst solche aus dickem, weichem Gummi, verrieten ihre Berührung mit dem Boden; die harten Schalen eines toten Käfers oder einer Grille konnten knirschend brechen. Einige Geräusche würde die Kulisse der Nacht verbergen, andere nicht.
Er lauschte nach Geräuschen von Katsaris' Bewegungen, hörte aber nichts. Würde er ebenso leise vorgehen können? Drei Meter, dann fünf, an der Mauer entlang. Ein scharrendes Geräusch, dann das Zischen einer winzigen Flamme: Der dritte Posten zündete sich eine Zigarette an.
Janson war ihm nahe genug, um die Bewegung beobachten zu können: Ein dickes, selbstzündendes Streichholz, das über die Wand scharrte, dann eine kerzenähnliche Flamme, die unter etwas gehalten wurde, was wie ein dünner Zigarillo aussah. Nach zwanzig Sekunden wehte der Tabakgeruch zu ihm herüber - es war tatsächlich ein Zigarillo -, und Jansons Muskeln lockerten sich ein wenig. Das Aufflammen des Streichholzes würde dazu führen, dass die Pupillen der Posten sich weiteten und einen Augenblick lang ihre Sehschärfe beeinträchtigten. Der Tabakrauch würde ihre Nasen praktisch nutzlos machen. Und wenn sie mit Rauchen beschäftigt waren, beeinträchtigte das ihre Fähigkeit, in einer Auseinandersetzung zu reagieren, wo der Bruchteil einer Sekunde den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen konnte.
Er war jetzt noch fünf Meter von der Veranda im Norden entfernt und musterte den verwitterten Kalkstein und das schmiedeeiserne Gitter. Die Terrakotta-Dachziegel waren nachträglich angebracht worden und wirkten auf einem im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebauten Gebäude deplatziert. Vier Stockwerke. Die Prunksäle im Obergeschoss, wo Mosaikfenster und Querbalken darüber vom Umbau einer portugiesischen Festung in etwas zeugten, was ein holländischer Gouverneur selbstbewusst als seinen »Palast« bezeichnet hatte. Hinter dem Großteil der Fenster war es dunkel; einige ließen im Hintergrund den schwachen Schein der Gangbeleuchtung erkennen. Und wo schlief der Kalif, der Architekt des Todes, heute Nacht? Janson glaubte es zu ahnen.
Es würde so leicht sein. Eine einzige Handgranate durch eines der Bleiglasfenster. Eine Stinger-Rakete auf sein Schlafzimmer gezielt. Und Ahmad Tabari würde tot sein. Von seiner körperlichen Existenz würde nicht mehr übrig bleiben als von der Helenes. Er verdrängte den Gedanken. Das war eine Fantasievorstellung, die er sich nicht leisten konnte. Sie ließ sich nicht mit dem Ziel ihres Einsatzes in Einklang bringen. Peter Novak war ein großer Mann.
Janson verdankte ihm nicht nur sein Leben, nein, die ganze Welt würde ihm vielleicht ihr zukünftiges Überleben zu verdanken haben. Das moralische und strategische Kalkül war unwiderlegbar: Die Rettung eines großen Menschen musste Vorrang vor der Vernichtung eines unsagbar bösen Menschen haben.
Jansons Blick wanderte von den Gouverneursgemächern zur Nordveranda.
Fünf Meter von der nächsten Wache entfernt, konnte er die Gesichter der Männer sehen. Breite Bauerngesichter, arglos und primitiv. Jünger, als er erwartet hatte. Aber während des größten Teils seiner Karriere als Agent im Feldeinsatz würden ihm diese Männer nicht jung vorgekommen sein, überlegte der Neunundvierzigj ährige. Sie waren älter, als er gewesen war, als er hinter der grünen Front in der Nähe der kambodschanischen Grenze seine ersten Einsätze durchgestanden hatte. Älter, als er gewesen war, als er zum ersten Mal getötet hatte und zum ersten Mal nur knapp dem Tod entronnen war.
Man konnte ahnen, dass ihre Hände schwielig waren, aber die Schwielen stammten ohne Zweifel von der Feldarbeit und nicht vom Kampfeinsatz. Amateure, ja, ohne Zweifel Amateure, sinnierte er jetzt schon zum zweiten Mal; aber ganz beruhigen konnte ihn der Gedanke nicht. Die KLF war zu gut organisiert, als dass sie einen so wichtigen Schatz ausschließlich dem Schutz solcher Männer übertragen würde. Sie stellten nur eine vorderste Verteidigungslinie dar. Eine vorderste
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