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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Flasche Mineralwasser und zwei Schokoriegel. Auf die Gallone umgerechnet kostete das Wasser viermal so viel, wie ich für Benzin hätte bezahlen müssen. Ich trat ins Freie, blieb unter dem Tankstellendach, packte einen Schokoriegel aus und begann ihn zu verspeisen. Benutzte die Zeit, um mich umzusehen. Ich wurde nicht beschattet. Also trat ich an die Münztelefone und rief Duffy an. Ihre Telefonnummer im Motel hatte ich mir gemerkt. Sie meldete sich beim zweiten Klingeln.
    »Fahr nach Norden, nach Saco«, erklärte ich. »Gleich jetzt. Wir treffen uns in dem großen Klinkergebäude auf der Insel im Fluss. In dem Coffeeshop, der Café Café heißt. Wer als Letzter kommt, zahlt für beide.«
    Den Schokoriegel aß ich während der Fahrt nach Süden auf. Der Saab war alt und klapprig, hart gefedert und im Vergleich zu Becks Cadillac oder Harleys Lincoln sehr laut. Die Fußmatten waren abgetreten und lose. Der Meilenzähler zeigte eine sechsstellige Zahl an. Aber der Wagen fuhr. Er hatte anständige Reifen, und die Scheibenwischer funktionierten. Und er verfügte über schöne große Spiegel, in die ich unterwegs häufig einen Blick warf. Niemand beschattete mich. Ich erreichte den Coffeeshop als Erster. Bestellte mir einen doppelten Espresso, um den Schokoladegeschmack in meinem Mund loszuwerden.
    Duffy kam etwa sechs Minuten später. Sie blieb am Eingang stehen, sah sich um und kam dann lächelnd auf mich zu. Sie trug frisch gewaschene Jeans und ein blaues Baumwollhemd, darüber ihre Lederjacke und einen verknitterten alten Regenmantel, der ihr viel zu groß war.
    »Sind wir hier sicher?«, fragte sie.
    Ich gab keine Antwort.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Du zahlst«, sagte ich. »Du bist nach mir gekommen. Ich nehme noch einen Espresso. Und du schuldest mir das Geld für den ersten.«
    Sie sah mich verständnislos an, ging dann an die Theke und kam mit einem doppelten Espresso für mich und einem Cappuccino für sich zurück. Ihr Haar war ziemlich nass. Sie musste irgendwo auf der Straße geparkt haben und das letzte Stück zu Fuß gegangen sein. Jetzt zählte sie schweigend das Geld für meinen ersten Espresso ab und schob es mir über den Tisch. Auch Kaffee war etwas, das hier in Maine teurer als Benzin war.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Ich gab keine Antwort.
    »Reacher, was ist los?«
    »Du hast dort vor acht Wochen eine weitere Agentin eingeschleust«, antwortete ich. »Warum hast du mich darüber nicht informiert?«
    »Was soll das heißen?«
    »Was ich gesagt habe.«
    »Welche Agentin?«
    »Sie ist heute Morgen gestorben. Sie musste eine radikale beidseitige Mastektomie ohne Narkose über sich ergehen lassen.«
    Sie starrte mich an. »Teresa?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nicht Teresa«, sagte ich. »Die andere.«
    »Welche andere?«
    »Erzähl mir keinen Scheiß«, schimpfte ich.
    »Welche andere?«
    Ich musterte sie. Durchdringend. Dann sanfter. In diesem Coffeeshop herrschte ein ganz eigenartiges Licht. Vielleicht stammte es von dem vielen hellen Holz, dem Edelstahl, dem Glas und dem Chrom. Es war das reinste Röntgenlicht. Wie ein Wahrheitsserum. Es hatte mir Elizabeth Becks echtes Erröten gezeigt. Jetzt rechnete ich damit, dass es mir eine ähnliche Reaktion Duffys zeigen würde. Ich erwartete, sie verlegen und beschämt erröten zu sehen, weil ich ihr auf die Schliche gekommen war. Aber das Licht zeigte mir nur verständnislose Überraschung. Die stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie war vor Schock kreidebleich geworden. Alles Blut schien aus ihrem Gesicht gewichen zu sein. Und auch das war ein Vorgang, den man – ähnlich wie das Erröten – nicht willkürlich herbeiführen kann.
    »Welche andere ?«, fragte sie wieder. »Wir hatten nur Teresa dort. Was soll das heißen? Willst du mir beibringen, dass sie tot ist?«
    »Nicht Teresa«, wiederholte ich. »Im Haus war eine weitere Agentin. Sie hatte sich als Dienstmädchen anstellen lassen.«
    »Nein«, sagte sie. »Nur Teresa.«
    Ich schüttelte erneut den Kopf. »Ich habe die Leiche gesehen. Das war nicht Teresa.«
    »Ein Dienstmädchen?«
    »Sie hatte einen E-Mail-Sender im Schuh«, sagte ich. »Genau das gleiche Ding wie meiner. Ihren Absatz hat derselbe Hersteller ausgehöhlt. Ich habe seine Arbeitsweise wiedererkannt.«
    »Ausgeschlossen!«, sagte sie.
    Ich musterte sie prüfend.
    »Das hätte ich dir erzählt«, sagte sie. »Natürlich hätte ich’s dir erzählt. Und ich hätte dich nicht gebraucht , wenn ich bereits eine Agentin im Haus

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