Der Janusmann
Speisesaal drang Stimmengewirr. Es klang harmlos gesellig.
»Wann essen sie?«, fragte ich.
»In zwanzig Minuten«, antwortete Maden. »Sobald sie mit ihren Drinks fertig sind. Für diese fünfundfünfzig Dollar gibt’s auch Champagner, wissen Sie.«
»Okay«, sagte ich. »War nicht bös gemeint.«
Ich sah auf meine Uhr. Fünfundvierzig Minuten waren vorbei. Noch fünfzehn Minuten.
Showtime.
Ich ging wieder hinaus. Setzte mich in den Lieferwagen und ließ den Motor an. Fuhr vom Haus weg, dann durchs Tor auf die Straße. Ich hielt bei Villanuevas Taurus. Sprang aus dem Wagen. Duffy und Villanueva stiegen sofort aus und kamen auf mich zu.
»Teresa ist hinten drin«, sagte ich. »Ihr fehlt nichts, aber sie steht unter Drogen.«
Duffy fiel mir um den Hals und drückte mich an sich. Villanueva riss die Hecktüren auf und hob Teresa wie ein Kind herunter. Dann nahm Duffy sich ihrer an, und Villanueva umarmte mich seinerseits.
»Ihr solltet sie ins Krankenhaus bringen«, sagte ich.
»Wir bringen sie ins Motel«, erklärte Duffy.»Dieses Unternehmen bleibt inoffiziell.«
»Bist du sicher?«
»Sie erholt sich bald wieder«, meinte Villanueva. »Wahrscheinlich haben sie ihr Roofies gegeben. Von den Drogendealern, denen sie Waffen liefern. Aber deren Wirkung hält nicht lange an. Sie werden rasch abgebaut.«
»Eliot ist tot«, sagte ich.
Das dämpfte die Stimmung schlagartig.
»Ruft das ATF vom Motel aus an«, sagte ich. »Wenn ich mich nicht vorher bei euch melde.«
Sie sahen mich wortlos an.
»Ich fahre jetzt zurück«, sagte ich.
Ich wendete auf der Straße und fuhr zurück. Vor mir konnte ich das Haus sehen. Die Fenster im Erdgeschoss leuchteten gelb. Das Licht der Mauerscheinwerfer wirkte im leichten Nebel bläulich. Plan B, beschloss ich. Quinn gehörte mir, aber die anderen würde ich dem ATF überlassen.
Ich stellte den Wagen wieder vor der Küchentür ab, ging ums Haus herum und fand meinen Mantel. Wickelte die Persuaders aus. Schlüpfte in meinen Mantel. Den brauchte ich. Die Nacht war kalt, und ich würde in ungefähr fünf Minuten wieder auf der Straße unterwegs sein.
Ich trat an die Fenster des Speisesaals, um hineinzusehen. Jemand hatte die Vorhänge zugezogen. Vernünftig, dachte ich. Die Nacht war wild und stürmisch. Bei geschlossenen Vorhängen würde das Speisezimmer behaglicher wirken.
Ich nahm die Persuaders und ging in die Küche. Der Metalldetektor piepste empört. Die Partyserviceleute hatten zehn Teller mit gefüllten Weinblättern auf einem Servierwagen stehen.
»Lasst euch mit dem Essen noch fünf Minuten Zeit, okay?«, sagte ich.
Keast und Maden starrten die Schrotflinten an.
»Eure Schlüssel«, sagte ich.
Ich ließ sie neben die Weinblätter fallen. Ich brauchte sie nicht mehr. Ich besaß die Schlüssel, die Beck mir gegeben hatte. Ich wollte durch die Haustür hinausgehen und den Cadillac nehmen. Schneller. Bequemer. Ich zog ein Messer aus dem hölzernen Messerblock, schnitt damit einen Schlitz ins Futter meiner rechten Manteltasche – gerade breit genug, um den Lauf einer Persuader hineinzustecken. Ich wählte die Waffe, mit der ich Harley erschossen hatte, und schob sie wie in ein Halfter hinein. Die andere hielt ich mit beiden Händen umklammert. Atmete tief durch. Trat auf den Korridor hinaus. Keast und Maden starrten mir nach. Als Erstes kontrollierte ich die Toilette. Mein dramatischer Auftritt würde verpuffen, wenn Quinn sich gar nicht im Speisezimmer befand. Aber die Toilette war leer. Niemand hatte das Esszimmer verlassen.
Die Tür des Speisesaals war geschlossen. Ich holte erneut tief Luft. Dann trat ich sie ein, war mit einem Satz über der Schwelle und schoss zwei Brennekes in die Zimmerdecke. Sie wirkten wie Blendgranaten. Die Detonation war gewaltig. Verputz und Holzsplitter regneten von der Decke. Alle erstarrten. Ich zielte auf Quinns Brust.
»Kennen Sie mich noch?«, fragte ich.
Elizabeth Beck schrie in der plötzlichen Stille gellend laut auf.
Ich trat einen weiteren Schritt vor, ließ dabei die Mündung der Persuader auf Quinn gerichtet.
»Kennen Sie mich noch?«, wiederholte ich.
Eine Sekunde. Zwei. Seine Lippen begannen sich zu bewegen.
»Ich habe Sie in Boston gesehen«, antwortete Quinn. »Auf der Straße. Vor ungefähr zwei Wochen.«
»Versuchen Sie’s noch mal«, sagte ich.
Sein Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Er erinnerte sich nicht an mich.
»Ich bin Reacher«, sagte ich.
Er sah zu Beck hinüber.
»Sie hat Dominique
Weitere Kostenlose Bücher