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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Quinn zu denken.
    »Es gibt drei«, antwortete ich. »Der erste ist, dass ich die Heckscheibe des Lieferwagens zerschießen werde und der Junge dann ungefähr zehn Minuten Zeit hat, um festzustellen, dass im Laderaum kaum Glassplitter liegen und die Windschutzscheibe kein entsprechendes Loch aufweist.«
    »Dann lassen Sie’s halt.«
    »Nein, das geht nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass er weiter panische Angst hat.«
    »Okay, aber dann stellen wir ein paar Kartons in den Laderaum. Sie brauchen ohnehin Ware, wenn Sie ein Ausfahrer sind. Die dürften ihm die Sicht versperren. Und wenn nicht, können wir nur hoffen, dass er in diesen zehn Minuten nicht zwei und zwei zusammenzählt.«
    Ich nickte. »Der zweite Punkt ist, dass der alte Beck irgendwann die hiesigen Cops anrufen wird, um sich meine Aussagen bestätigen zu lassen.«
    »Die bekommen von uns ein Drehbuch, an das sie sich halten. Sie spielen so lange mit, wie wir sie brauchen. Was ist der letzte Schwachpunkt?«
    »Die Leibwächter«, antwortete ich. »Wie lange könnt ihr die festhalten? Ihr dürft sie an kein Telefon lassen, sonst rufen sie sofort Beck an. Also dürft ihr sie nicht offiziell verhaften und in ein Gefängnis stecken. Ihr müsst sie ohne Kontakt zur Außenwelt festsetzen, was völlig illegal ist. Wie lange könnt ihr das durchhalten?«
    Duffy zuckte mit den Schultern. »Maximal vier bis fünf Tage. Länger ist es uns nicht möglich, Sie zu schützen. Sie müssen sich also beeilen.«
    »Das habe ich vor«, erwiderte ich. »Wie lange hält der Akku meines E-Mail-Senders?«
    »Ungefähr fünf Tage«, antwortete sie. »Bis dahin sind Sie wieder draußen. Ein Ladegerät können wir Ihnen nicht mitgeben. Das wäre verdächtig. Aber Sie können ein Handy-Ladegerät benutzen, falls Ihnen eines unterkommt.«
    »Okay.«
    Mehr gab es nicht zu sagen. Plötzlich kam sie auf mich zu und küsste mich auf die Wange.
    »Alles Gute«, sagte sie. »Ich glaube, wir haben nichts übersehen.«
    Aber wir hatten viele Dinge übersehen. Unser Plan wies offenkundige Mängel auf, mit denen ich mich jetzt auseinander setzen musste.

3
     
    Der Leibwächter Duke kam fünf vor sieben wieder in mein Zimmer – fürs Abendessen viel zu früh. Ich hörte seine Schritte draußen auf dem Korridor und ein leises Klicken, als das Schloss aufgesperrt wurde. Ich saß auf dem Bett. Der E-Mail-Sender steckte wieder in meinem rechten Schuh.
    »Na, ausgeschlafen, Arschloch?«, erkundigte er sich.
    »Warum bin ich eingesperrt?«, wollte ich wissen.
    »Weil du ein Copkiller bist«, antwortete er.
    Ich sah weg. Vielleicht war Duke selbst ein Cop gewesen, bevor er in die Privatwirtschaft gegangen war. Viele ehemalige Cops landen in der Sicherheitsbranche – als Berater, Privatdetektive oder Leibwächter. Jedenfalls hatte er’s auf mich abgesehen, was Probleme machen konnte. Aber es bedeutete auch, dass er Richard Becks Story glaubte, was erfreulich war. Er starrte mich an, geleitete mich aus dem Zimmer, die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und durch düstere Korridore zur Nordseite des Hauses. Ich konnte salzhaltige Luft und feuchte Teppiche riechen. Überall lagen Orientteppiche – an manchen Stellen sogar zwei übereinander. Er blieb vor einer Tür stehen, stieß sie auf und machte einen Schritt zur Seite, sodass ich in ein großes quadratisches und mit dunklem Eichenholz getäfeltes Zimmer treten konnte. Der Fußboden verschwand unter Teppichen. Kleine Fenster saßen in tiefen Mauernischen. Draußen waren Abenddämmerung, Felsen und grauer Ozean zu sehen. Auf einem Refektoriumstisch aus Eiche lagen meine beiden Colts Anaconda. Entladen, mit herausgeklappten Trommeln. Am Kopfende des Tischs saß ein Mann in einem Armsessel mit hoher Rückenlehne. Er war der Mann, den ich von Susan Duffys Überwachungsfotos her kannte.
    In Person war er wenig bemerkenswert. Ungefähr eins achtzig, ungefähr neunzig Kilo. Graues Haar, nicht dicht, nicht schütter, nicht kurz, nicht lang. Ich schätzte ihn auf etwa fünfzig. Er trug einen grauen Anzug aus teurem Stoff, dessen Schnitt keinerlei Anspruch auf Eleganz erhob. Sein Hemd war weiß, seine Krawatte farblos wie Benzin. Sein Gesicht und seine Hände sahen blass aus, als wären sein natürlicher Lebensraum Tiefgaragen, in denen er Ware aus dem Kofferraum seines Cadillacs verhökerte.
    »Nehmen Sie Platz«, forderte er mich auf. Seine Stimme klang ruhig, aber angestrengt, als sitze sie ganz hoch in seiner Kehle. Ich ließ mich ihm gegenüber am

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