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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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die wichtigsten Astrologen Indiens verteilt worden. Also an die, die verstanden hätten. In Varanasi sei sein Vater der beste Astrologe gewesen. Selbst die Könige von Vijaygarh und Fayabad seien für seinen Rat in dieses Haus gekommen. Und er habe nicht eine Rupie genommen. Deshalb habe sein Vater eines der Palmblattbücher bekommen, das er, bevor er starb, an ihn weiterreichte. Eines Tages werde es Ditu erben. So einfach sei das.
    Ob sie ein Foto von Ditus Großvater hätten? Natürlich. Ob ich mal sehen dürfe? Ditu verließ das Zimmer, um es zu holen. Er kam mit einer gerahmten Schwarzweißaufnahme eines Mannes zurück, der so Mitte Zwanzig gewesen sein muß, als das Bild gemacht wurde, und dessen konsequent vergeistigter Gesichtsausdruck mich an Rama Krishna erinnerte, einen der größten indischen Heiligen. Und an seinen Sohn. «Sie ähneln Ihrem Vater», sagte ich. Was ernst gemeint war. Und gleichzeitig ein beinhartes Kompliment. Es war klar, was ich nun wollte. «Es ist nicht gut, wenn man die Zukunft kennt», sagte Ditus Vater noch einmal, als ich ihn fragte, ob er für mich einen Blick ins Palmblattbuch werfen würde. «Besser ist, du machst, was du willst, und vertraust darauf, daß du alles bekommst, was du bekommen sollst, und alles verlierst, was du nicht brauchst.» Auch sei es nicht gut, die Vergangenheit zu kennen. Wer um seine früheren Leben wisse, habe keinerlei Gewinn, sondern einfach nur mehr Probleme. Wenn ich aber trotzdem darauf bestünde, würde er es für mich machen. Er benötige dafür nur wenige Daten: Geburtsort, Geburtszeit und den Namen des Tages. Was für einen Namen? Na, Montag, Dienstag, Mittwoch oder so. Außerdem müsse ich ihm vorher noch einige Fragen beantworten, das sei Usus in der Palmblattbibliothek. «Erstens: Wer bist du? Zweitens: Warum bist du? Und drittens: Was ist deine Aufgabe auf dieser Welt?»
    Verstehen Sie nun mein Problem?

Der Strand der gestrandeten Geschichten
    (Havanna)
    D er Weg vom Flughafen bis in die Stadt ist lang, und es war wenig Licht zu beiden Seiten der Straße, und die Hitze der Nacht fühlte sich an wie eine Frau, die sich ausziehen will. Menschen saßen an der Straße, so als hätten sie nichts, und alle Häuser waren grau, und es war kaum Verkehr, und die Stille und die Dunkelheit inmitten einer großen Stadt wirkten wie ein kafkaesker Traum auf mich. Gegen zwei Uhr erreichten wir das «Inglaterra». Frederico und Karl waren noch an der Rezeption zu sehen, wollten aber schlafen gehen. Tom nicht.
    Der Nachteil dieser Geschichte ist gleichzeitig ihr Vorteil. Sie ist keine Literatur. Ob ich Toms Namen ändern muß, weiß ich noch nicht. Ich folgte ihm auf die Straße, wir gingen Richtung Meer, und es war mir egal, ob es ein kleiner Spaziergang oder ein großer Absturz würde, um den Flug aus den Knochen zu bekommen. Kurz vor dem Malecón trafen wir auf einen schwarzen Mann und ein häßliches schwarzes Mädchen, aber wir hielten nicht an.
    Der Malecón, die Mauer, das Meer. Die Bucht von Havanna ist elf Kilometer lang und ein fast perfekter Halbkreis, in dessen Mitte Lichter zu sehen waren. Bei uns leuchtete keine Lampe und kein Fenster. Wir setzten uns auf die Ufermauer und zündeten Zigaretten an. Tom wollte die Versorgung gesichert sehen.
    Ich kenne ihn lange genug, um zu wissen, was er meint. Und ich war mir gar nicht so sicher, ob das auch für mich zutraf. Aber geht er allein, kann es schieflaufen. Bin ich dabei, passiert nichts. Nichts im Sinne von endgültig, aber alles davor passiert. Ich glaube, das ist der Auftrag, der dieser Freundschaft innewohnt. Egal, auf welcher Droge wir sind, wir finden immer die letzte Tür. Wir brauchen also Rum, wir brauchen also Koks, und wir brauchen Miezen, und noch bevor wir zu Ende geraucht hatten, kam der schwarze Mann mit dem häßlichen schwarzen Mädchen zu uns, und wir waren vier.
    Das Häßliche an ihr war der Mut zum Original. Sie war sehr klein, und ihr krauses Haar saß wie ein rotgefärbtes Vogelnest auf ihrem Kopf. Sie muß so um die Zwanzig gewesen sein. Ich habe später ein Polaroid von ihr gemacht, auf dem sie plötzlich gut aussah. Vielleicht war das Häßliche an ihr nur die Nacht und der Hunger. Vielleicht bin ich ein guter Fotograf. Oder es war nur ein glücklicher Moment, in dem Blitzlicht und Zimmerbeleuchtung, Blickwinkel und die Entfernung zum Objekt ein Bild schufen, das außerhalb dieses Moments nicht vorhanden ist. Vielleicht war es ein Wunder. Vielleicht war es Tom.
    Der Mann,

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