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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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sie das Eis isst, schaut sie ihren Kindern zu. Die drei nehmen meine Anwesenheit kaum zur Kenntnis, sondern rufen nur ab und zu nach ihrer Mutter oder streiten miteinander, wer höher schaukeln kann.
    »Sie sind wunderbar«, sagt Angie zu der Eistüte. »Meistens.« Sie schüttelt den Kopf und redet weiter. »Ich war so sorglos, als ich jung war. Jetzt habe ich drei Kinder und bin allein.« Sie schaut zu den Schaukeln, und ich kann mir vorstellen, dass sie sich überlegt, wie sie wohl aussehen würden, wenn die Kinder nicht da wären. Die Schuld dieses
Augenblicks drückt sie nieder. Die Last scheint immer da zu sein. Nie weit weg jedenfalls, trotz ihrer Liebe zu den Kindern.
    Mir wird klar, dass nichts mehr ihr gehört. Sie dagegen gehört allen.
    Sie weint, ganz kurz, während sie den Kindern zuschaut. Wenigstens das gestattet sie sich. Auf ihrem Gesicht sind Tränen und auf ihren Lippen ist Eiskrem.
    Nichts schmeckt mehr wie früher.
     
     
    Trotzdem bedankt sich Angie Carusso bei mir. Sie steht auf und fragt nach meinem Namen. Ich sage ihr, dass der keine Rolle spielt.
    »Aber sicher«, protestiert sie.
    Ich gebe nach. »Ed.«
    »Dank dir, Ed«, sagt sie. »Danke.«
    Sie bedankt sich noch ein paarmal, aber die schönsten Worte des ganzen Tages höre ich, als ich schon glaube, dass alles vorbei ist. Es ist das Mädchen, Casey. Sie kuschelt sich an Angies Hand und sagt: »Das nächste Mal gebe ich dir was von meinem Eis ab, Mum.«
    Irgendwie fühle ich mich traurig und leer, aber ich weiß, dass ich getan habe, was von mir verlangt wurde. Ein Eis für Angie Carusso, nur ein einziges.
    Ich werde die Farbe auf ihren Lippen nie vergessen.

D
    Rosenblut
    Jetzt muss ich mich um die Rose-Brüder kümmern. Wie ich schon sagte, glaube ich nicht, dass sie jemals im wirklichen Leben bestehen mussten. Es scheint so, als ob sie sich noch nie darüber Gedanken gemacht hätten, wie sie reagieren würden, wenn jemand von außen in ihre Kämpfe einbrechen und fremde Fäuste ins Spiel bringen würde.
    Ich habe die Adresse.
    Ich habe die Telefonnummer. Ich bin bereit.
     
     
    Anfang der folgenden Woche kann ich wieder viele Tagschichten übernehmen, und jede Nacht, in der ich freihabe, gehe ich zur Rose-Familie. Jedes Mal streiten die Brüder nur. Eine handfeste Prügelei bleibt aus und ich muss enttäuscht nach Hause gehen. Auf dem Rückweg halte ich Ausschau nach der nächsten Telefonzelle und werde schließlich ein paar Straßen weiter fündig.
    In den folgenden beiden Nächten muss ich arbeiten, was mich aber nicht weiter beunruhigt. Der letzte große Kampf liegt schließlich erst ein paar Tage zurück, und vielleicht brauchen sie eine Weile, um sich wieder in Stimmung zu bringen. Ich muss nur darauf warten, dass Gavin erneut das Haus verlässt. Was ich vorhabe, ist alles andere als angenehm.
     
     
    Am Sonntagabend passiert es.
    Ich bin schon fast zwei Stunden da, als das Haus plötzlich erzittert und Gavin wieder herausgestürmt kommt.
    Er verzieht sich an dieselbe Stelle wie beim letzten Mal, setzt sich auf dieselbe Bordsteinkante.

    Und wieder gehe ich ihm nach.
    Mein Schatten streift ihn lediglich. Er sagt: »Du schon wieder«, aber er hat keine Chance, auch nur einen Blick auf mich zu werfen.
    Ich beuge mich hinab und packe ihn am Kragen.
     
     
    Ich fühle mich, als würde ich neben mir stehen.
    Ich schaue mir zu, wie ich Gavin Rose in die Büsche zerre und ihn niederschlage, bis er am Boden liegt, inmitten von Gras, Dreck und heruntergefallenen Ästen.
    Meine Fäuste trommeln auf sein Gesicht und ich schlage ein Loch in seinen Bauch.
    Der Junge weint und bettelt. Seine Stimme flattert.
    »Bitte bring mich nicht um. Bring mich nicht um...«
    Ich sehe seine Augen, vermeide aber den direkten Blick. Fest pflanze ich meine Faust auf seine Nase, um diesen Blick zu trüben. Er ist verletzt. Ich mache trotzdem weiter. Ich muss sicher sein, dass er sich nicht mehr bewegen kann, wenn ich mit ihm fertig bin.
    Ich kann seine Angst riechen.
    Sie strömt aus ihm heraus.
    Sie greift nach oben und stopft sich in meine Nasenlöcher.
    Mir ist klar, dass dieser Schuss ganz fürchterlich nach hinten losgehen kann, aber ich weiß mir keinen anderen Rat.
    Vor der Sache in der Edgar Street habe ich noch nie Hand an einen Menschen gelegt, jedenfalls nicht auf diese Art. Es ist kein schönes Gefühl, besonders wenn es sich um einen Jungen handelt, der viel jünger ist als ich und der überhaupt keine Chance gegen mich hat. Aber ich

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