Der Judas-Code: Roman
den Völkern Mittelamerikas, ist mir bekannt, dass viele sich mit ihren Monumenten und Städten an den Sternen orientiert haben.«
Gray konnte dazu ebenfalls etwas beitragen. »So wie die drei ägyptischen Pyramiden das Sternbild Orion darstellen sollen.«
»Genau! Irgendwo in Südostasien wurde eine Stadt nach dem Sternbild Draco angelegt.«
Auf einmal fuhr Seichan herum. » Choi mai !«, fluchte sie gedämpft. »Mir fällt da was ein... etwas, was ich mal gehört habe... irgendwelche Ruinen in Kambodscha betreffend. Die Wurzeln meiner Familien reichen bis nach Vietnam und Kambodscha.«
Seichan stürzte zu ihrem Rucksack, wühlte darin und zog den Laptop heraus. »Da hab ich eine Enzyklopädie drauf.«
Seichan hockte sich zwischen Vigor und Gray. Sie startete das Programm und gab hektisch etwas ein. Dann klickte sie auf ein Icon, worauf eine digitale Landkarte angezeigt wurde.
»Das ist die Tempelanlage von Angkor, im neunten Jahrhundert von den kambodschanischen Khmer erbaut.«
»Beachten Sie die Anordnung der Tempel«, sagte Seichan. »Angeblich orientiert sie sich an einem Sternbild.«
Gray zog mit dem Finger eine Linie, welche die in Frage kommenden Tempel miteinander verband, dann tippte er auf die verbliebenen Tempel. Anschließend legte er die erste Sternkarte neben den Laptop.
»Die Übereinstimmung ist verblüffend«, sagte Vigor beeindruckt. »Marcos Totenstadt. Damit ist Angkor Wat gemeint.«
Gray beugte sich vor und fasste Seichan bei den Schultern. Sie spannte sich an, wich ihm aber nicht aus. Gray war allen zu Dankbarkeit verpflichtet, auch Kowalski, der den Weg zur Lösung aufgetan hatte.
Gray sah auf die Uhr.
Es war höchste Zeit.
Er streckte die Hand zu Vigor aus. »Das Handy bitte. Es wird Zeit, einen Deal zu machen.«
Gray setzte den Akku ein und hoffte inständig, dass ihm das Glück endlich einmal hold sein würde. Er wählte Nassers Nummer, die Seichan ihm gegeben hatte. Vigor fasste Gray bei der Hand und spendete ihm seelischen Beistand.
Nach einmaligem Klingeln wurde abgenommen.
»Commander Pierce«, meldete Nasser sich mit eiskalter, zorniger Stimme.
Gray atmete tief durch, um nicht gleich in Rage zu geraten. Er musste besonnen und entschlossen vorgehen.
»Mein Flieger wird jeden Moment landen«, fuhr Nasser fort. »Weil Sie sich nicht an die Abmachungen gehalten haben, dürfen Sie entscheiden, welcher Elternteil zuerst sterben muss. Sie werden die Schreie hören. Und ich verspreche Ihnen, dass der, der zuerst stirbt, sich noch glücklich schätzen darf.«
Die Drohung hatte für Gray auch etwas Tröstliches. Wenn Nasser ihm nichts vormachte, waren seine Eltern beide noch am Leben.
Gray schmerzten schon die Kiefermuskeln, so sehr musste er an sich halten. In gelassenem Ton erwiderte er: »Ich möchte Ihnen im Austausch für das Leben meiner Eltern etwas anbieten.«
»So viel können Sie mir gar nicht bieten!«, fauchte Nasser.
»Und wenn ich die Engelszeichen auf dem Obelisken entschlüsselt habe?«
Schweigen.
Gray fuhr fort: »Nasser, ich weiß, wo die Totenstadt liegt, von der Marco gesprochen hat.« Da er fürchtete, dies könnte vielleicht nicht ausreichen, um den Schuft schwankend zu machen, sprach er ganz langsam, um jegliches Missverständnis auszuschließen. »Außerdem kenne ich das Heilmittel, das gegen den Judas-Stamm wirkt.«
Vigor wandte verblüfft den Kopf.
Noch immer kam kein Laut aus dem Handy.
Gray wartete. Er starrte auf die Übersichtskarte von Angkor Wat, die auf dem Laptopmonitor angezeigt wurde. Er spürte, dass die beiden Arme der Gildenoperation - die getrennt voneinander
die wissenschaftliche und die historische Fährte verfolgten - sich jeden Moment vereinigen würden.
Wer aber würde zwischen ihnen zerdrückt werden?
Schließlich sagte Nasser mit zornbebender Stimme: »Was wollen Sie?«
Der Ausbruch
13
Die Hexenkönigin
7. Juli, Mitternacht
Insel Pusat
Die Trommeln übertönten das Grollen des Donners. Blitze zuckten über den Himmel und hüllten den Dschungel in grelles Grün und tiefes Schwarz, durchbrochen von den silbrigen Reflexen des nassen Laubs.
Der barbrüstige Monk zog Susan um eine steile Biegung des Dschungelpfads herum. Sie folgten dem Weg schon seit zwei Stunden und mussten bisweilen warten, bis der nächste Blitz ihnen den Weg erhellte. Inzwischen hatte sich der ansteigende Pfad in einen Bach verwandelt. Der Dschungel aber war nach wie vor ein undurchdringliches Dickicht von Lianen, dichtem Laub, dornigen
Weitere Kostenlose Bücher