Der Judas-Code: Roman
Büschen, von Schlingwurzeln erstickten Bäumen und saugendem Morast.
Und so gingen sie weiter, immer höher hinauf.
Ryder kletterte hinter ihnen. Er hatte als Einziger eine Pistole dabei. Eine teflonbeschichtete SIG Sauer P228 Kaliber 9mm. Bedauerlicherweise hatte er keine Ersatzmunition mehr. Nur die dreizehn Kugeln im Magazin.
Das war gar nicht gut.
Sobald das Unwetter nachließ, würden Rakaos Männer den Dschungel durchkämmen. Die Insel war ihre Einsatzbasis, hier hatten sie Heimvorteil. Monk machte sich keine Illusionen über ihre Fluchtchancen.
Er spähte durch eine Lücke im Laubwerk. Sie befanden sich in etwa dreihundert Metern Höhe. Das gewaltige Kreuzfahrtschiff lag in einer Entfernung von einer Viertelmeile in der Mitte der Lagune. Dorthin hatte man seine Kollegin gebracht, nachdem man sie aus der Umklammerung des ekelhaften Kalmars gerettet und aus dem dunklen Wasser gezogen hatte.
Aber ob sie noch am Leben war?
Solange er nichts Gegenteiliges erfuhr, wollte er die Hoffnung nicht aufgeben.
Hoffnung für Lisa und sich selbst.
Doch um zu überleben, brauchte Monk Verbündete.
Die Trommeln dröhnten unentwegt weiter, lauter und drängender als zuvor, als wollten sie den Taifun vertreiben. Inzwischen ging ihm jeder Ton durch Mark und Bein.
Klitschnass und in geduckter Haltung zwängte Monk sich durch ein Gewirr von Zweigen. Er hatte einen flackernden Lichtflecken ausgemacht.
Ein Feuer.
Nach zwei Schritten hielt er an.
Erst jetzt merkte er, dass sie nicht allein waren. Halb im dichten Laubwerk verborgen, aber dennoch gut sichtbar, standen Wachposten am Rand des Wegs. Männer mit nacktem Oberkörper und ausladenden Strohhüten, die sie am Kopf festgebunden hatten. Die Gesichter hatten sie mit Öl und Asche bemalt, sodass sie schwarz wirkten. Die Nasen waren mit polierten Eberhauern und gelblichen Rippenknochen durchbohrt. Bänder mit leuchtenden Federn und Schneckenmuscheln zierten die Arme.
Ryder stürmte mit einem Aufschrei und gezückter Pistole vor.
Die Wachposten ließen sich nicht aus der Ruhe bringen.
Monk drückte Ryder den Arm hinunter und trat mit erhobenen Händen vor. Die Handflächen wiesen nach vorn. »Sie dürfen die Eingeborenen nicht erschrecken!«, flüsterte er Ryder zu.
Einer der Eingeborenen trat auf den Pfad. Er trug eine Brustplatte aus Knochen, die mit Lederriemen verflochten waren. Seine Blöße bedeckte ein Rock aus langen Federn. Beine und Füße waren unbekleidet und ebenfalls mit Fett und Asche beschmiert. In der Hand hielt er das geschärfte Schulterblatt eines Tiers.
Jedenfalls hoffte Monk, dass es von einem Tier stammte.
Als es hinter ihm raschelte, wusste Monk, dass ihnen der Rückweg versperrt war. Die Trommeln dröhnten unentwegt weiter. Das Feuer loderte kurz auf.
Der Mann auf dem Pfad drehte sich um und ging aufs Feuer zu.
»Sieht so aus, als wären wir zu der Party eingeladen«, bemerkte Monk und legte den Arm um Susan.
Ryder folgte ihnen mit vorgehaltener Pistole.
Falls etwas schiefging, würde ihnen der Milliardär mit seinen dreizehn Kugeln den Weg freischießen müssen. Im Moment hielt Monk es jedoch für geraten, so weit wie möglich zu kooperieren.
Der Weg endete an einer Wand aus Vulkangestein. In dem rötlich schwarzen Fels hatte sich ein natürliches Amphitheater gebildet, das mit Palmenblättern abgedeckt war. Am äußeren Rand strömte ein Regenvorhang herab.
Der regengeschützte Raum wurde von einem großen Feuer erhellt. An der Seite saßen die Trommler und bearbeiteten wie in Trance ihre Instrumente. Zwei gewaltige Trommeln, die von der Felswand hingen und so breit waren wie Monks ausgestreckte Arme, wurden mit Knochen bearbeitet. Bei jedem Schlag erzitterte der dünne Wasserfall, der sich vom Palmendach auf den Boden ergoss.
Die Männer geleiteten sie nach vorn.
Ein Eber wühlte mit der Schnauze im Erdreich und quiekte, als er die Fremden sah. Unter dem Überhang drängten sich dicht an dicht weitere Schweine.
Monk geleitete Susan durch den Wasservorhang hindurch bis zum Überhang. Als das Regenwasser auf seine nackte Brust prasselte, erschauerte er. Die Hitze des Feuers war durchaus angenehm, doch der Qualm, der nur zögerlich durch das Palmendach entwich, brannte in den Augen.
Um das Feuer waren zahlreiche Menschen versammelt; einige standen, die anderen hockten am Boden. Monk schätzte, dass es über hundert waren, Männer und barbrüstige Frauen. Die Felswände waren gesäumt von Höhlenöffnungen, aus denen weitere
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