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Der Judas-Code: Roman

Titel: Der Judas-Code: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins , Norbert Stöbe
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Arbeitsunfall hatte Jack nicht nur das halbe Bein, sondern auch einen Großteil seines Stolzes geraubt. Die Krankheit hatte den Rest zerstört.
    Aber nicht die Krankheit allein.
    Harriet spürte das Gewicht des Tablettenfläschchens in ihrer Tasche.
    Tränen traten ihr in die Augen und liefen ihr übers Gesicht.
    Annishen hatte das Telefonat beendet und klappte das Handy zu. Sie gab einem der Männer ein Zeichen. »Nehmen Sie ihr die Handschellen ab.«
    Harriet war das recht. Sie hob die Arme, um die Handschellen aufschließen zu lassen. Als sie von ihr abfielen, massierte sie sich die Handgelenke.
    Was hatte Annishen vor?
    Auf deren Wink hin schob einer der Männer den Stuhl an den Tisch. Das durchdringende Kreischen von Stahl auf Beton veranlasste ihren Mann, benommen hochzuschauen.

    »Harriet...«, murmelte er. »Wie spät ist es?«
    »Alles in Ordnung, Jack«, erwiderte sie zärtlich. »Schlaf weiter.«
    Annishen trat vor ihn hin. »Da bin ich anderer Meinung. Ich finde, er hat genug geschlafen. Die kleinen Tabletten, die Sie ihm gegeben haben, waren ganz schön stark. Jetzt ist es Zeit aufzuwachen.« Sie fasste ihn beim Kinn und zog sein Gesicht hoch. »Halten Sie ihm den Kopf fest«, wies sie Jacks Bewacher an. »Damit er alles mitbekommt.«
    Jack wehrte sich nicht, als der Mann ihm den Kopf festhielt.
    Annishen wandte sich zum Tisch um und wischte Jacks Speichel an der Hose ab. Sie nickte dem Mann neben Harriet zu. Er packte Harriets linkes Handgelenk und drückte es auf die Tischplatte aus Holz.
    Harriet wehrte sich instinktiv, doch der Mann zog ihren Arm unerbittlich so weit vor, bis die Tischkante gegen ihre Achselgrube drückte. Sie spürte die kalte Pistolenmündung des dritten Aufpassers an der Wange.
    Annishen kam herbeigeschlendert. »Wie es aussieht, müssen wir Ihnen eine kleine Lektion erteilen, Mrs. Pierce.«
    Sie nahm die Lötlampe und betätigte die Selbstzündung. Mit einem scharfen Zischen schoss eine blaue Flamme aus der Mündung. Sie stellte die Lötlampe in Griffweite auf den Tisch. »Um den Stummel zu kauterisieren.«
    »Was... was haben Sie vor?«
    Statt zu antworten, nahm Annishen den Bolzenschneider in die Hand und zog die Griffe auseinander. »Also, welchen Finger schneiden wir zuerst ab?«
06:01
    Gray und Seichan saßen auf dem Rücksitz eines weißen Vans, eingezwängt zwischen zwei Bewaffneten. Nasser hatte mit weiteren Bewaffneten auf der Sitzbank gegenüber Platz genommen.
    Kowalski und Vigor saßen ganz hinten. Ein weiterer Van fuhr vorweg, ein dritter folgte ihnen nach, bemannt mit Soldaten in Khakiuniformen.

    Nasser wollte keinerlei Risiko eingehen.
    Gray betrachtete durch die Windschutzscheibe die aus dem Nebel aufragenden Türme von Angkor Wat, fünf mächtige, maiskolbenförmige Erhebungen, die von den Strahlen der aufgehenden Sonne erhellt wurden. Angkor Wat war der erste von vielen Tempeln, die eine Gesamtfläche von einhundert Quadratmeilen bedeckten. Außerdem war er der größte und besterhaltene, ein kambodschanisches Wahrzeichen und ein Labyrinth von Schatzkammern, Mauern, terrassierten Türmen, filigranen Steinmetzarbeiten und Statuen. Allein dieser Tempel nahm eine Fläche von zweihundert Hektar ein und war umgeben von einem breiten Wassergraben.
    Doch das war nicht ihr Ziel.
    Sie wollten nach Angkor Thom, das eine Meile weiter nördlich lag. Diese Anlage war zwar weniger groß als Angkor Wat, dafür lag dort der große Bayon-Tempel, der als das eigentliche Herzstück von ganz Angkor galt.
    Der Van rumpelte über ein Schlagloch hinweg.
    Gray sah im Rückspiegel sein Gesicht. Seine Wangen waren eingefallen, unter den Augen hatte er dunkle Ringe, seine Lippen waren rissig, und sein Stoppelbart sah aus wie eine Quetschung. Seine Augen aber funkelten wie polierte Steine; Hass und Rachegelüste spiegelten sich darin. Tief in seinem Innern aber waren nur Schmerz und Schuldgefühl.
    Seichan, die vielleicht spürte, dass er in lähmender Verzweiflung zu versinken drohte, ergriff seine Hand. Die Geste war kein Ausdruck von Anteilnahme. Sie drückte fest zu, grub ihre Fingernägel in seine Hand und zerrte ihn damit vom Rand des tiefen Brunnens zurück.
    Nasser hatte es bemerkt. Der Anflug eines höhnischen Grinsens spielte um seine Lippen und verschwand gleich wieder. »Eigentlich habe ich Sie für schlauer gehalten, Commander«, murmelte er. »Lässt sie sich schon von Ihnen ficken?«
    Gray fasste Nasser in den Blick. »Halten Sie verflucht noch mal Ihr Maul.«
    Nasser

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