Der Judas-Code: Roman
Krämpfen, dessen Rückenmarksflüssigkeit mit Acetobacter aceti angereichert war, einem harmlosen Organismus, der im Essig vorkommt. Das Bakterium verätzt ihr buchstäblich das Gehirn.«
Lisas Gesichtsfeld verengte sich, als sie über die Folgerungen nachdachte.
»Und das sind vermutlich nicht die einzigen Fälle«, sagte Henri.
Sie schüttelte den Kopf - nicht weil sie ihm widersprechen wollte, sondern weil die immer wahrscheinlicher scheinende Möglichkeit, dass er recht haben könnte, einfach zu grauenhaft war. »Irgendetwas veranlasst also diese harmlosen Bakterien, sich gegen uns zu wenden.«
»Freund wird zu Feind. Sollte daraus ein offener Krieg entstehen, sind wir hoffnungslos in der Unterzahl.«
Lisa schaute hoch.
»Der menschliche Körper besteht aus hundert Billionen Zellen, von denen aber nur zehn Billionen von uns selbst gebildet wurden. Die übrigen neunzig Prozent sind Bakterien und andere opportunistische Organismen. Wir leben mit diesen Fremdzellen in einer Art Symbiose. Aber wenn nun das Gleichgewicht kippt und sich diese Zellen gegen uns wenden...?«
»Das muss aufhören.«
»Deshalb habe ich Sie herkommen lassen. Ich wollte Sie überzeugen. Wenn wir weiterkommen wollen, brauchen Dr. Miller und ich Zugang zum Forensiklabor Ihres Kollegen. Wir brauchen Antworten auf die wesentlichen Fragen. Wurden die Bakterien auf toxischem oder chemischem Weg verändert? Wenn ja, was sollen wir dagegen unternehmen? Und was ist, wenn das ansteckend ist? Wie können wir die Betroffenen isolieren oder unter Quarantäne stellen?« Er verzog das bärtige Gesicht. »Wir brauchen Antworten. Und zwar schnell.«
Lisa sah auf die Uhr. Monk war seit einer Stunde überfällig. Entweder er hatte bei der Arbeit das Zeitgefühl verloren, oder er wollte noch ein wenig die Schönheit der Insel und der Strände genießen. Doch die Zeit drängte.
Sie nickte. »Ich werde Dr. Kokkalis anfunken lassen. Er soll schnellstmöglich an Bord kommen. Aber Sie haben völlig recht. Lassen Sie uns mit der Arbeit beginnen.«
Sie ging voran. Monks Labor lag fünf Decks höher. Sigma hatte für ihn eine der größten Suiten reserviert. Betten und Möbel waren entfernt worden, um Platz für die Laborausrüstung zu schaffen. Außerdem gab es einen breiten Balkon. Auf einmal wünschte Lisa, sie wäre schon dort und könnte sich den frischen Meereswind ins Gesicht wehen und ihre Ängste verscheuchen lassen.
Als sie sich dem Aufzug näherten, ging ihr durch den Sinn, dass sie noch einmal mit Painter sprechen musste. Diese Verantwortung konnte sie nicht allein tragen. Sie war auf die volle Unterstützung des Forschungsteams von Sigma angewiesen.
Außerdem wollte sie noch einmal seine Stimme hören.
Sie drückte die Aufzugtaste.
Als wäre die Taste mit einem Zünder verbunden, ertönte ein lauter Knall. Er kam von der Laderampe, wo die Boote festmachten, die zwischen dem Schiff und der Insel pendelten.
Hatte es einen Unfall gegeben?
»Was war das?«, fragte Henri.
Eine zweite Explosion dröhnte durchs Schiff. Diesmal kam das
Geräusch vom Bug. Gedämpfte Schreie waren zu hören. Dann setzte Gewehrfeuer ein.
»Wir werden angegriffen«, sagte Lisa.
13:45
Monk holperte mit einem verrosteten Land Rover den steilen Hang hinunter. Er hatte den Wagen auf einem Parkplatz der Phosphatmine entdeckt, die bei der Evakuierung geschlossen worden war, und ohne zu zögern die Zündung kurzgeschlossen. Jetzt rasten sie einen unbefestigten Weg entlang, der an der Mine vorbei zur Küstensiedlung führte.
Dr. Richard Graff hatte sich auf dem Beifahrersitz festgeschnallt und hielt sich mit einer Hand am Dachholm fest. »Nicht so schnell.«
Monk hörte nicht auf ihn. Er musste die Küste erreichen.
Sie waren auf dem Minengelände in eine Werkstatt eingebrochen und hatten versucht zu telefonieren. Die Leitung war tot gewesen. Die Insel war zu dem Zeitpunkt bereits nahezu menschenleer gewesen. Immerhin hatten sie in dem Schuppen einen Verbandskasten gefunden. Monk hatte Graffs Schulter mit antibiotischer Salbe behandelt und ihm einen Verband angelegt.
Während Monk den Wagen aufbrach und die Zündung kurzschloss, hatte sich der Forscher mit Medikamenten versorgt. Jetzt drückte er sich mit dem verletzten Arm den Verbandskasten an den Bauch. In dem leeren Behälter hatte er die Krabbe verstaut.
Als der Dschungelpfad eine Kurve beschrieb, musste Monk herunterschalten. Auf zwei Rädern schleuderte der Wagen um die Kurve. Mit ächzenden Stoßdämpfern
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