Der Judas-Schrein
in den Fluss gefallen.« Er wandte sich demonstrativ ab.
»Basedov ist nicht in die Trier gestürzt«, zischte Sabriski, doch Körners Handbewegung brachte sie zum Schweigen.
Der Feldwebel lehnte auf dem Tresen und sprach zur Wirtin, diesmal leiser. »Die Trier ist auf der anderen Seite über die Ufer getreten und hat kilometerlang die Bundesstraße überschwemmt. Die haben den gesamten Verkehr gesperrt. Die Feuerwehr von Viehofen hat uns eben den Stand über Funk durchgegeben: Flussabwärts haben die Wildbäche fast alle Brücken weggerissen und die Bundesstraße meterhoch vermurt. Die Hangrutsche verschlimmern alles.«
Die Wirtin knäulte ihre Schürze. »Hält der Deich wenigstens?«
»Erinnere mich nicht daran! Gerade eben ist der Pegelstand auf acht Meter geklettert. Der Fluss prescht dreißig Zentimeter unter der Deichkrone dahin … und Weißmann will, dass wir immer mehr Sandsäcke draufpacken. Das gleicht blankem Wahnsinn! Der Wasserdruck am Sockel des Schutzwalls ist ohnehin schon viel zu stark.«
»Was können wir tun?«
»Gar nichts … beten, dass der Deich hält.«
Philipp drehte sich wieder zu Körner. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
»Keine Panik.« Körner senkte die Stimme. »Wir sollten uns nicht mit dem Hochwasser beschäftigen. Die Feuerwehrleute kümmern sich darum, die machen ihre Sache schon richtig. Wir haben andere Sorgen und stehen unter Zeitdruck. Also sollten wir uns auf unsere zwei wichtigsten Aufgaben konzentrieren: Basedov finden und den Mörder schnappen!«
»Das sollte eigentlich nicht so schwierig sein«, flüsterte Sabriski. »Wenn wir aus dem Ort nicht raus können, dann kann es der Killer auch nicht. Der Mörder sitzt mit uns fest. Er ist unter uns, vielleicht näher als wir glauben.« Sie deutete auf die Platzdecke mit der Goldstickerei.
Ein Handyklingeln ließ sie zusammenzucken. Rasch nahm Körner den Anruf entgegen. Es war Jutta Koren aus ihrem Büro. »In der Radio-Sondersendung habe ich eben gehört, dass Sie mitten im Hochwasser-Krisengebiet sitzen.«
»Ja, machen Sie es kurz, mein Akku ist gleich leer«, drängte Körner.
»Ihre wichtigste Zeugin, die Reporterin im Kierlinger Nervenkrankenhaus, ist immer noch unansprechbar. Wir haben also weiterhin nichts in der Hand. Haben Sie Kralicz in der Zwischenzeit gefunden?«
»Nein.«
»Auch wenn es tragisch klingt, aber das hat uns zumindest weitergeholfen. Weil einer unserer Ermittler verschwunden ist, hat uns Hauser grünes Licht für die Exhumierung gegeben. Ich habe die Bewilligung des Staatsanwalts vor einer halben Stunde an den hiesigen Gendarmeriepostenkommandanten gefaxt. So viel ich weiß, hat er bereits die Eltern der Kinder ver…«
Das Display erlosch, Körners Handy schaltete ab. Er steckte das Telefon in die Tasche und erhob sich. Der Greiner Gendarm wusste also Bescheid. Körner sah Sabriski an: »Wir legen los. Du bist dran!«
Während Rolf Philipp mit Sonja Berger in seinem Kastenwagen durch den Ort fuhr, um weiter nach Basedov zu suchen, machten sich Körner und Sabriski auf den Weg zum Friedhof. Sie kamen mit dem Auto nur schwer über den Dorfplatz, der dem Hauptquartier eines Katastropheneinsatzes glich. Ein Pritschenwagen verstellte ihnen den Weg, von dessen Ladefläche Paletten mit Mineralwasserflaschen gehievt wurden. Vor dem Krämerladen sammelte sich eine Menschentraube, an die der Geschäftsinhaber Gehrer und eine Hand voll Rot-Kreuz-Helfer Kartons verteilten, in denen sich vermutlich Decken, Kerzen, Seifen und Dosen befanden. Von dem Feuerwehrwagen daneben wurden Schutzkleidungspakete mit Overalls, Gummistiefeln und wasserfesten Handschuhen ausgegeben. Unter einem Zelt stand eine riesige Gulaschkanone. Zwei Frauen versorgten die Helfer und frierenden Feuerwehrleute mit Suppe und Getränken. Auf Heurigenbänken standen Kochplatten und Kaffeemaschinen, ein Generatoranhänger lieferte Strom. Daneben wurde soeben eine Batterie Campingklos errichtet.
Doch selbst nachdem sie mit dem Audi den Dorfplatz passiert hatten, änderte sich die Situation nicht. Auf dem Gemeindeparkplatz wurde von ortsansässigen Betrieben in Pritschenwagen pausenlos Material von der Sandgrube herangefahren, das an die dreißig Männer und Frauen in Jutesäcke füllten. In einer provisorischen Holzhütte mit angebautem Zelt tagte der Krisenstab, um die Helfer zu koordinieren. Der Bürgermeister redete mit wilden Gesten auf Wolfgang Heck ein, der sich über eine Landkarte beugte, an welcher der Wind
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