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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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seine Aufzeichnungen und machten ihn zum Sündenbock.«
    »Jetzt sprichst auch du von den Mördern bereits in der Mehrzahl«, bemerkte Sabriski.
    Verdutzt sah er die Gerichtsmedizinerin an. Es war ihm gar nicht aufgefallen. »Der Gedanke erscheint mir immer plausibler.« Er legte die Füße auf den Tisch und lehnte sich zurück. »Möglicherweise sind es nicht bloß zwei gewöhnliche Morde. Vielleicht steckt mehr dahinter.« Da war sie wieder, seine Vertuschungstheorie! »Vielleicht sind mehrere Dinge miteinander verstrickt«, sinnierte er. »Martins Unterlagen sind aus seinem Zimmer verschwunden. Seine Recherchen über den Dorfpfarrer und das Grubenunglück müssen etwas mit den Morden zu tun haben. Nur was, verdammt?«
    Philipp setzte sich auf die Tischkante und steckte brummelnd seine Pfeife an. »Ich glaube, du verrennst dich in einer Sackgasse. Wir haben zwar ein Tagebuch von 1864 gefunden, aber meiner Meinung nach haben die Kirchengeschichte und das Grubenunglück nichts miteinander zu tun. Die Ereignisse liegen zeitlich zu weit auseinander: dreiundsiebzig Jahre. Und was bitte schön hat das mit Stammbäumen, Gelenksverkrümmungen und den Morden an Sabine und Martin zu tun? Wir sind auf dem Holzweg.«
    »Die Stammbäume könnten die Verbindung darstellen«, vermutete Körner. Da bemerkte er, wie die Gerichtsmedizinerin in die Ferne starrte.
    »Gelenksverkrümmungen«, wiederholte sie. »In der Kirche ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen. Ich habe euch doch erzählt, dass das Bein des Pfarrers beim Gehen einknickte, als sei es gefühllos.«
    »Na und?« Philipp sah sie an.
    »Das könnte die Folge einer Nervenläsion sein, wie es bei einer Punktierung des Rückenmarkskanals vorkommt. Außerdem massierte er sich die Schläfen. Vielleicht leidet er an starken Kopfschmerzen.« Sabriski gestikulierte hilflos mit den Armen, als wisse sie nicht, wie sie es erklären sollte. »Eine mögliche Ursache könnte der Druckabfall im Kopf sein, wenn beispielsweise zu wenig Liquor vorhanden ist. Schon zehn fehlende Milliliter von insgesamt zweihundert reichen aus, damit…«
    »Hör auf! Wovon redest du? Das ist ja grässlich!«, unterbrach sie Philipp. »Wir sollten bei den Fakten bleiben.« Als suche er Unterstützung warf er Körner einen Blick zu.
    Dieser sah den Spurensicherer nachdenklich an, sagte aber nichts. Er selbst hasste es, wenn sie an den Haaren herbeigezogene Vermutungen aneinander reihten und unplausible Spinnereien erfanden. Doch andererseits war ihm sein gestriges Gespräch mit Sabriski in der Pathologie lebhaft in Erinnerung geblieben: Die Zellatypien, die rasche Zellteilung, die Eigenautonomie des fremdartigen Gewebes, die Punktierungsstellen, der zerborstene Rückenwirbel. Was war normal und was ein Hirngespinst? Er konnte es nicht unterscheiden.
    Während er nachdachte, sahen ihn die Teammitglieder schweigend an, als warteten sie auf seinen Kommentar. Am liebsten hätte er alles hingeschmissen, den Fall abgegeben, sich in den Wagen gehockt und wäre davonrast.
    Schließlich murmelte Berger so leise, dass er es zunächst kaum hörte. »Sabine Krajniks Mutter humpelt ebenfalls. Ich habe es bemerkt, als wir gestern in ihrer Küche standen.«
    »Ich fasse es nicht!«, rief Philipp und warf die Arme in die Luft. »Zwei Menschen, die humpeln … welch bedeutsame Übereinstimmung!«
    »Außerdem sagte sie zu ihrem Mann, er solle das Wasser nicht trinken, sonst bekäme er wieder Kopfschmerzen«, fügte sie unbeirrt hinzu.
    Philipp trat an Körner heran. »Alex, bitte! Siehst du nicht, dass wir schön langsam verrückt werden und uns gegenseitig mit Schauermärchen in den Irrsinn treiben?«
    Körner hob den Kopf. »Martin Goissers Bruder hat eine verkrümmte Hand und der Dorfarzt Weber eine schlimme Rückgratverkrümmung. Er leidet ebenfalls an Kopfschmerzen - vielleicht kommt es vom Brunnenwasser.«
    Philipps Mund klappte auf. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Ich bekomme auch gleich Kopfschmerzen.«
    »Wie sieht die Rückgratverkrümmung aus?«, fragte Sabriski.
    Körner formte die Missbildung mit den Händen nach. »Es erinnert an einen Rippenbuckel, außerdem hat er eine starke Brustkorbdeformierung.« Körner stand auf und beugte sich nach vorne, um die Haltung des Arztes zu imitieren.
    »Keucht er?«, fragte Sabriski.
    Körner zuckte die Achseln. »Kann sein, dass er schwer atmet. Warum?«
    »Deine Beschreibung könnte eine verminderte Atemkapazität zur Folge haben, wie es bei einer Kyphoskoliose der

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