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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Hunderttausenden angesiedelt. Jetzt lebten ihrer allein in der Stadt Alexandrien fast eine halbe Million. Ihre kultische Absonderung, ihr Reichtum, ihre Hoffart hatten immer wieder zu wüsten Pogromen geführt. Erst vor drei Jahren, als der Aufruhr in der Provinz Judäa ausbrach, waren in Alexandrien an fünfzigtausend Juden in einem wilden Gemetzel umgekommen. Noch heute lagen in dem Stadtteil Delta, ihrem Hauptwohnsitz, weite Bezirke verwüstet. Vieles Zerstörte ließen sie absichtlich liegen, auch wuschen sie von den Mauern ihrer Synagogen das Blut nicht weg, das damals verspritzte. Sie waren stolz selbst auf diese Angriffe, sie waren ihnen eine Bestätigung ihrer Macht. Denn sie regierten in Wahrheit das Land Ägypten, wie einst Josef, der Sohn des Jakob, unter seinem Pharao das Land beherrscht hatte. Der Feldmarschall Tiber Alexander, der Generalgouverneur Ägyptens, war jüdischer Abkunft, und die führenden Männer der Provinz, Anwälte, Textilfabrikanten, Steuerpächter, Waffenhändler, Bankiers, Korngroßhändler, Reeder, Papierfabrikanten, Ärzte, Lehrer der Akademie waren Juden.
      Die Hauptsynagoge in Alexandrien war eines der Wunderwerke der Welt. Sie bot Raum für mehr als hunderttausend Menschen; nächst dem Tempel von Jerusalem war sie das größte jüdische Bauwerk der Erde. Einundsiebzig Stühle aus reinem Gold standen da für den Großmeister und die Präsidenten des Gemeinderats. Keine noch so umfangreiche menschliche Stimme konnte das mächtige Haus durchdringen: man mußte mit Fahnen anzeigen, wenn die Gemeinde dem Vorbeter ihr Amen respondieren sollte.
      Stolz blickten die alexandrinischen Juden auf die römischen herab, auf diese Westjuden, die zumeist kärglich lebten und sich aus ihrer Proletarierexistenz nicht recht hochbringen konnten. Sie, die Alexandriner, hatten ihr Judentum klug und harmonisch mit der Lebensform und dem Weltbild des griechischen Orients ausgesöhnt. Schon vor hundertfünfzig Jahren hatten sie die Bibel ins Griechische übertragen, und sie fanden, diese ihre Bibel füge sich gut in die griechische Welt.
      Trotz alledem und trotzdem sie in Leontopolis ihren eigenen Tempel hatten, galt ihnen der Berg Zion als ihr Zentrum. Sie liebten Judäa, sie sahen mit tiefem Mitleid, wie infolge der politischen Unfähigkeit Jerusalems der jüdische Staat zu zerfallen drohte. Eine ganz große Sorge erfüllte sie: daß wenigstens der Tempel erhalten bleibe. Sie zinsten dem Tempel wie alle andern Juden, sie pilgerten nach Jerusalem, sie hatten dort ihre eigenen Hotels, Synagogen, Friedhöfe. Viele Weihgeschenke des Tempels, Tore, Säulen, Hallen, waren von ihnen errichtet worden. Ein Leben ohne den Tempel in Jerusalem war auch den alexandrinischen Juden nicht denkbar.
      Sie schritten hoch her, sie ließen sich nicht anmerken, wie sehr die Geschehnisse in Judäa an sie rührten. Die Geschäfte blühten, der neue Kaiser hatte Verständnis für sie. Glänzend in ihren Luxuswagen fuhren sie über den Korso, sie saßen fürstlich auf ihren hohen Stühlen innerhalb der Schranken der Basilika, der Börse, sie gaben ihre großen Feste in Canopus, auf der Insel Pharus. Aber wenn sie unter sich waren, dann, oft, verdüsterten sich ihre hochmütigen Gesichter. Ihr Atem preßte sich, ihre stolzen Schultern erschlafften.

    Die Juden Alexandriens nahmen Josef herzlich und mit Achtung auf, als er im Gefolg des neuen Kaisers aus dem Schiff stieg. Man schien genau zu wissen, welchen Anteil er an der Akklamation Vespasians hatte, ja, man überschätzte diesen Anteil. Josefs Jugend, seine verhaltene Spannkraft, die ernste Schönheit seines hagern, heftigen Gesichts packte die Herzen. Wie seinerzeit in Galiläa, so rief es jetzt in Alexandrien, wenn er in den Straßen der Juden sich zeigte: »Marin, Marin, unser Herr, unser Herr.«
      Nach dem finstern Fanatismus Judäas, nach der Derbheit des römischen Militärbetriebs pumpte er sich jetzt genießerisch voll mit der freien Helligkeit der Weltstadt. Sein dumpfes und wildes früheres Leben, sein Weib Mara hatte er in Galiläa zurückgelassen. Sein Bereich waren nicht die Intrigen aktueller Politik, nicht die groben Aufgaben militärischer Organisation, sein Bereich war das Geistige. Mit Stolz am Gürtel trug er das goldene Schreibzeug, das der junge General Titus, als man Judäa verließ, ihm als Ehrengabe geschenkt hatte.
      Prächtig an der Seite des Großmeisters Theodor Bar Daniel fuhr er über den Korso. Er zeigte sich in der

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