Der jüdische Krieg.
also kostete er es aus. Hart den Atem durch die Nase stieß er. Er hatte noch keine Zeit gefunden, sich’s bequem zu machen; mit den schweren Soldatenstiefeln stapfte er über den kühlen Steinboden des Zimmers. »T. Fl. Vespasian, Kaiser, Herrscher, Gott«, schmunzelte er, grinste breit, machte das Gesicht wieder scharf. »Na ja«, sagte er. Er warf die lateinischen und die östlichen Worte durcheinander: Cäsar, Adir, Imperator, Messias. Eigentlich war es komisch, daß sein Jude ihn als erster akklamiert hatte. Ein klein wenig verdroß es ihn: er fühlte sich dem Menschen fester verkettet, als er wollte.
Er spürte Lust, Cänis zu wecken, der Frau, die nun so lange Sturz und Aufstieg mit ihm geteilt hatte, zu sagen: »Ja, nun ist es an dem.« Aber dieses Verlangen dauerte nur einen kleinen Augenblick. Nein, er mußte jetzt allein sein, keinen einzigen Menschen konnte er sehen. Doch, einen. Einen ganz fremden, der von ihm nichts wußte und von dem er nichts wußte. Wieder faltete er das Gesicht auseinander, breit, böse, glücklich. Mitten in der Nacht schickte er nach Josefs Haus und befahl Josefs Frau zu sich, Mara, Tochter des Lakisch, aus Cäsarea.
Josef war soeben von der Unterredung mit Mucian nach Hause gekommen, sehr hochgestimmt in dem Bewußtsein, einen wie großen Anteil er daran hatte, daß nun morgen sein Römer Kaiser sein wird. Um so tiefer jetzt stürzte er hinunter. Es war eine fressende Schmach und Enttäuschung, daß der Römer den Mann, der ihm die große Idee eingegeben hatte, auf solche Art demütigte. Der freche Unbeschnittene wird nicht zulassen, daß er sich je wieder aus dem Schlamm dieser Ehe heraushebt. In sich hinein knirschte er alle die höhnischen Namen, mit denen der Marschall genannt wurde: Spediteur, dreckiger, Pferdeäpfelbauer! Fügte die unflätigsten Schimpfworte zu, aramäische, griechische, was immer ihm beifiel.
Das Mädchen Mara, nicht weniger erschreckt als er, fragte still: »Josef, mein Herr, soll ich sterben?« – »Närrin«, sagte Josef. Sie hockte vor ihm, mattweiß, jämmerlich, in einem dünnen Hemd. Sie sagte: »Das Blut, das vor drei Wochen hätte kommen sollen, ist nicht gekommen. Josef, mein Mann, den Jahve mir gegeben hat, höre: Jahve hat meinen Leib gesegnet.« Und da er schwieg, fügte sie ganz leise hinzu, demütig, erwartungsvoll: »Willst du mich nicht halten?« – »Geh!« sagte er. Sie fiel um. Nach einer Weile raffte sie sich hoch, schleppte sich zur Tür. Er aber, da sie gehen wollte, wie sie war, fügte unwirsch, befehlend hinzu: »Zieh deine besten Kleider an.« Sie gehorchte scheu, zögernd. Er musterte sie und sah, daß sie schlichte Schuhe trug. »Auch die parfümierten Sandalen«, herrschte er sie an.
Vespasian, in der Stunde, da sie bei ihm war, fühlte sich sehr zufrieden, genoß sie mit allen Sinnen. Er wußte, morgen wird es sein, morgen wird man ihn akklamieren, und dann wird er für immer aus diesem Osten weggehen dahin, wohin er gehört, in seine Stadt Rom, um dort Ordnung und Zucht zu schaffen. Im Grund verachtete er ihn, diesen Osten, aber mit einer Art gönnerhafter Liebe. Dieses Judäa jedenfalls hat ihm gut geschmeckt, das fremdartige, glückbringende, vergewaltigte Land war ein brauchbarer Schemel für seine Füße gewesen, es hatte sich als sehr geeignet erwiesen, sich unterwerfen und profitieren zu lassen, und auch diese Mara, Tochter des Lakisch, gerade weil sie so still und voll verächtlicher Sanftmut war, sagte ihm zu. Er dämpfte seine knarrende Stimme, legte ihren mondlich schimmernden Kopf auf seine haarige Brust, spielte mit seinen gichtischen Händen in ihrem schwarzen Haar, sprach ihr gut zu mit den paar spärlichen aramäischen Worten, die er wußte: »Sei zärtlich, mein Mädchen! Sei nicht dumm, meine Taube!« Er sagte das mehrmals, möglichst mild, aber doch ein wenig abwesend und verächtlich. Er schnaufte, er war angenehm müde, er hieß sie sich waschen und anziehen, rief seinen Kammerdiener, ließ sie wegbringen, und eine Minute später hatte er sie vergessen und schlief befriedigt ein in Erwartung des kommenden Tages.
Es war eine sehr kurze Nacht, und es war in der ersten Dämmerung, als Mara zu Josef zurückkehrte. Sie ging schwer, als trüge sie jeden ihrer Knochen einzeln, ihr Gesicht war verwischt, lappig, wie aus feuchtem, schlechtem Stoff. Sie zog das Kleid aus. Langsam, mit Mühe dröselte sie daran, dröselte es auf, zerriß es, umständlich, mit Mühe, in lauter kleine
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