Der jüdische Krieg.
loskommen, und gerade seine Würdelosigkeit zog sie an, seine uferlose Hingabe an das, was ihn im Augenblick fesselte, der jähe Wechsel, wie er sich aus einer Wallung in die andere schmiß, die Schamlosigkeit, mit der er seine Gefühle heraussagte. Sie streichelte ihre Katze Immutfru: »Er ist stumpf vor dir. Er hat kein Herz, er weiß nicht, was du bist und was Bilder sind und was das Land Kernet ist. Immutfru, mein kleiner Gott, kralle mich, daß mein Blut herausrinnt, denn mein Blut muß schlecht sein, weil ich an ihm hänge, und ich bin lächerlich, weil ich an ihm hänge.« Die Katze saß auf ihrem Schoß, schaute sie aus ihren runden, leuchtenden Augen an.
Einmal, bei einem heftigen Streit mit Josef, im Beisein anderer, sagte sie zu ihm, voll Haß und Triumph: »Warum, wenn Sie mich für so töricht halten, haben Sie sich geißeln lassen, um sich für mich frei zu machen?« Er war verblüfft, er wollte sie verlachen, aber sogleich hatte er sich wieder in der Gewalt, schwieg.
Als er allein war, riß es ihn hin und her. War es ein Hin- weis des Schicksals, ein Vorzeichen, daß die Ägypterin seine Geißelung so deutete? Er hatte sich richtig verhalten, als er diese Deutung zuließ; einer Frau gegenüber, die man haben wollte, war eine solche schweigende Lüge erlaubt. Aber war es denn eine Lüge? Immer hatte er diese Frau haben wollen, und hatte er je daran denken können, daß sie ohne Opfer und Zeremonie mit ihm schlafen werde? Es war eine große Lockung, sie zu seiner Frau zu machen. Sie war ihm, dem Priester, verboten, selbst wenn sie zum Judentum übertrat. Wozu hatte er die Geißelung auf sich genommen, wenn er gleich darauf von neuem das Gesetz verletzte? Die Makkabi-Leute werden schreien, schlimmer, sie werden lachen. Mögen sie. Es wird süß sein, es wird eine Lust sein, für die Ägypterin Opfer zu bringen. Die Sünde, jene zu heiraten, die der Römer ausgespien hatte, war ekel gewesen, schmutzig. Diese Sünde schimmerte prächtig. Es war eine sehr große Sünde. Du sollst dich nicht vergatten mit den Töchtern der Fremden, hieß es in der Schrift, und Pinchas, als er sah, daß einer aus der Gemeinde Israel hurte mit einer Midianitin, nahm einen Spieß und ging dem Manne nach in den Hurenwinkel und durchstach beide, den Mann und das Weib, durch ihren Bauch. Ja, es war eine sehr große Sünde. Andernteils: sein Namensvetter Josef hatte die Tochter eines ägyptischen Priesters geheiratet, Moses eine Midianitin, Salomo eine Ägypterin. Die Kleinen mußten sich kleine Maße gefallen lassen, denn sie liefen Gefahr, sich bei den Töchtern der Fremden zu verliegen und ihre Götter anzunehmen. Er, Josef, gehörte zu jenen, die stark genug waren, das Fremde in sich aufzunehmen, ohne darin unterzugehen. Reiße dich los von deinem Anker, spricht Jahve. Er verstand plötzlich den dunkeln Spruch, man solle Gott mit beiden Trieben lieben, dem bösen und dem guten.
Bei der nächsten Zusammenkunft mit Dorion sprach er von Verlöbnis und Heirat wie von einem alten, oft erörterten Projekt. Sie lachte nur, ihr dünnes, schepperndes Lachen. Aber er tat, als höre er es nicht, er war besessen von seinem Plan, von der Andacht zu seiner Sünde. Schon besprach er die Einzelheiten, das Datum, die Formalitäten ihres Übertritts zum Judentum. Waren nicht oft in Rom wie in Alexandrien Frauen auch der höchsten Schicht zum Judentum übergetreten? Das Ganze ist etwas verwickelt, dennoch wird es nicht allzu lange dauern. Sie lachte nicht einmal, sie schaute ihn an wie einen Verrückten.
Vielleicht war es gerade die Verrücktheit seines Projekts, die sie anzog. Sie dachte an das Gesicht ihres Vaters, den sie liebte und verehrte. Sie dachte an die Väter ihrer Mutter, die einbalsamiert unter den spitzen Bergen schliefen. Aber dieser Jude wischte mit dem Fanatismus eines Irren alle Einwände fort. Es gab keine Schwierigkeiten für ihn, alle Gegengründe der Vernunft waren Luft. Glückstrahlend, mit heftigen Augen, erzählte er dem Titus und den Gästen der Villa in Canopus von seinem Verlöbnis mit dem Mädchen Dorion.
Das Mädchen Dorion lachte. Das Mädchen Dorion sagte: er ist toll. Aber den Josef kümmerte das nicht. War nicht alles Große und Wichtige zuerst für toll gehalten worden? Allmählich unter seiner Heftigkeit, unter seiner querköpfigen Zähigkeit gab sie nach. Widersprach, wenn die andern das Projekt für wahnwitzig erklärten. Kam mit den Argumenten Josefs. Schon fand sie die Idee nicht
Weitere Kostenlose Bücher