Der jüdische Krieg.
weggefressen hatten, war er überaus betroffen. Das waren Unheimliche, Irrsinnige, von den Göttern Geschlagene. Warum beraubten diese Unbegreiflichen, die doch keinen Schutz hatten außer Jahve, Jahves Altar?
Wie immer, jetzt waren die Belagerten am Ende. Es war eine große Versuchung, jetzt einen Sturm auf die erschöpfte Stadt anzusetzen. Die Armee, nach der langen, zermürbenden Belagerung, lechzte danach. Es war auch der kürzeste und sicherste Weg zum Triumph. Sein Vater hatte keine Ursache mehr, die Fiktion, es handle sich um eine polizeiliche Maßnahme, aufrechtzuhalten. Er sitzt in Rom fest genug, auch wenn er den Feldzug nicht selber beendet hat. Wenn Titus jetzt die Stadt stürmt, kann ihm Rom den Triumph nicht wohl verweigern.
Der Prinz hat eine schlechte Nacht, voll von Zweifeln. Ein Triumph ist eine gute Sache. Aber hat er nicht Berenike, hat er nicht sich selber zugeschworen, seinen Zorn gegen die Aufständischen nicht am Tempel auszutoben? Er hat mit der Anwendung von Gewalt bei Berenike keine guten Erfahrungen gemacht. Wenn er das da schont, wenn er wartet, bis das da sich ihm ergibt, hat er dann nicht ausgelöscht, was er an der Frau getan hat?
Er betraute den Josef damit, nochmals, ein letztes Mal, Verhandlungen anzubahnen. Er gab ihm ein Angebot mit, das weit über alle bisherigen Konzessionen hinausging.
Josefs Herz schlug töricht hoch. Er neigte sich tief vor Titus, nach jüdischer Sitte, die Hand an der Stirn. Was der Römer gab, war ein großes Geschenk, dargereicht von einer starken Hand, die es wahrlich nicht notwendig hatte zu schenken, die ihren Willen erzwingen konnte. Er muß die in der Stadt dazu bringen, daß sie das erkennen. Jetzt hat es trotz allem Sinn bekommen, daß er hier bei den Römern vor Jerusalem ist und nicht innerhalb der Mauern wie jener Justus.
Zur festgesetzten Stunde begab er sich unmittelbar vor die Mauer, allein, schlicht angezogen, ohne Waffen, ohne priesterliches Abzeichen. So stand er zwischen den Belagerern und den Belagerten, ein kleiner Mensch auf dem kahlen Boden vor der Ungeheuern Mauer, und vor ihm die Mauer war dichtbesetzt mit Juden, und hinter ihm die Blockademauer war dichtbesetzt mit Römern. Hitze war, Gestank, beklemmendes Schweigen, daß er nur sein Blut hörte. In seinem Rücken spürte er den kalten, spöttischen Blick des Tiber Alexander, vor sich sah er die haßerfüllten Augen des Simon Bar Giora, die wilden seines Jugendkameraden Amram, die verachtungsvollen des Johann. Er war am ganzen Leibe kalt in der heißen Sonne.
Er begann zu sprechen. Zuerst klangen ihm seine Worte hohl und fremd, aber dann kam es über ihn, und er redete schlicht, heiß und gerade wie nie in seinem Leben. Die Römer, bot er an, werden im Fall der Übergabe die Bewaffneten zwar gefangensetzen, aber keinen am Leben büßen. Die Römer, bot er an, werden noch heute Opfertiere für den Tempel durchlassen, vorausgesetzt, daß man auch das für Jahve bestimmte Opfer des Kaisers, des Volkes und Senats von Rom annimmt und darbringt wie früher.
Die auf der Mauer hatten Josef düster und voll Trauer kommen sehen. Jetzt schauten selbst unter den Makkabi-Leuten viele begierig auf Simon und Johann. Dies war wirklich ein großes, mildes Angebot, und in ihrem Herzen hofften sie, die Führer würden es annehmen.
Allein die dachten nicht daran. Wenn sie sich ergeben, was werden sie dann für ein Leben haben, im Triumph aufgeführt zuerst, dann als Leibeigene in irgendein Bergwerk verschickt? Und selbst wenn die Römer sie freilassen, konnten sie unter Juden weiterleben nach allem, was geschehen war? Sie werden, nachdem ihr Krieg mißglückt ist, auf Lebenszeit unter den Juden verfemt sein. Und es waren nicht nur solche Erwägungen; es waren tiefere Gründe. Sie waren so weit gegangen, sie hatten bewirkt, daß jetzt das Land dem Erdboden gleichgemacht war und der Tempel ein Totenacker und eine Blutfestung, sie hatten die Lämmer Jahves gefressen, und nun wollten sie ihren Weg zu Ende gehen.
Ohne also erst zu wissen, was die Römer anbieten würden, hatten sie ihre Erwiderung vorbereitet. Sie spuckten nicht aus, als Josef mit seiner Rede zu Ende war, schüttelten nicht den Staub von ihren Kleidern und Schuhen, dachten auch gar nicht daran, eine lange Antwort voll Zorn und Verachtung zu geben. Nein, sie öffneten nur die kleine Ausfallpforte neben dem Tor: und heraus kam quiekend und grunzend ein Schwein. Ja, sie hatten den Römern ein paar
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