Der jüdische Krieg.
Schweine abgejagt, und davon eines ließen sie jetzt auf Josef los.
Josef erblaßte. Das Schwein kam auf ihn zu, grunzend, schnuffelnd, und die auf der Mauer lachten. Und dann, im Sprechchor und auf lateinisch, es war nicht leicht für die erschöpften Männer, sie mußten es lange geübt haben, riefen sie: »Ist dir eine Vorhaut gewachsen, Flavius Josephus?« Sie lachten, und die Römer, sie konnten sich nicht helfen, lachten mit. Da hatten diese höllischen Juden wirklich einen verdammt guten Spaß gemacht. Josef aber stand allein zwischen den beiden Lagern mit seinem Schwein, im Angesicht des geschändeten, mit Geschützen gespickten Tempels, und schallend verlachten ihn Juden und Römer.
In diesen Augenblicken, die lang waren wie Jahre, büßte Josef allen Hochmut seines Lebens. »Ihr Doktor Josef ist ein Lump«, hatte einmal einer gesagt mit einem gelben Gesicht, in Meron hatten sie Gras gesät über den Weg, auf dem er gekommen war, andere hatten sieben Schritte Abstand von ihm gehalten wie vor einem Aussätzigen, unter Posaunen war der Bann über ihn ausgesprochen worden, in Alexandrien war er in Stricken gelegen unter der Geißel. Aber was war das alles vor diesen Augenblicken? Er war reinen Herzens gekommen, er wollte die Stadt retten, Männer, Frauen, Kinder und das Haus Jahves. Sie aber schickten ihm ein Schwein. Er wußte wohl, er mußte jetzt gehen, aber er zögerte. Die Mauer hielt ihn fest. Er mußte viel Willen aufbieten, um zu gehen. Er setzte einen Fuß hinter den andern, er ging rückwärts, den Blick immer auf den Mauern. Eine große Kälte fiel ihn an, alles war von ihm abgeblättert, Schmerz und Hochmut. Er gehörte nicht zu den Römern und nicht zu den Juden, die Erde war wüst und leer wie vor der Schöpfung, er war allein, um ihn war nichts als Hohn und Gelächter.
Titus, als die Juden dem Josef das Schwein zutrieben, lachte nicht. Eigentlich, dachte er, kann ich zufrieden sein. Ich habe mich überwunden. Ich habe gutmachen wollen, was diese Irrsinnigen ihrem Gott angetan haben; jetzt stehe ich besser mit diesem Jahve als meine Feinde. Aber diese Erwägung hielt nicht lange vor. Er schaute hin zu dem Bewußten, zu dem Weiß und Goldenen. Erschreckend überkam ihn plötzlich die Lust, das da unter seine Füße zu treten, das Störende, Verwirrende. Sie selber haben es geschändet, er wird es vollends in den Dreck schmeißen, das da, das Höhnische, Hohe, mit seiner verdammten Reinheit. In seinem Hirn reißt es, wie er es von seinen Soldaten gehört hat, im Takt, wüst, wild: Hep, Hep, und bei jedem Hep kracht ein Schädel ein und stürzt ein Stück Haus.
Gleich darauf erschrak er. Er wollte das alles nicht gedacht haben. Nein, es war durchaus nicht seine Absicht, mit diesem Jahve anzubinden. Das überließ er den Herren jenseits der Mauer.
Eine dunkle Trauer packte ihn, eine wütende Sehnsucht nach der Jüdin. Hilflos zornig stand er vor dem Fanatismus der Juden, vor ihrer Verblendung. Berenike ist eine von diesen, unbegreiflich wie sie, niemals wird er sie wirklich besitzen.
Er ging zu Josef. Der lag auf seinem Bett, zu Tode erschöpft, überdeckt von kaltem Schweiß trotz der Hitze des Sommertags. Er wollte sich erheben. »Liege, liege«, bat Titus, »aber sprich zu mir. Vielleicht macht mich der Zorn über diese Menschen blind. Erkläre du mir, mein Jude: was wollen sie? Ihren Zweck können sie nicht mehr erreichen: warum also wollen sie lieber sterben als leben? Sie können das Haus erhalten, für das sie kämpfen: warum wollen sie, daß es niederbrennt? Verstehst du das, mein Jude?« – »Ich verstehe es«, sagte Josef, unendlich müde, und sein Gesicht hatte den gleichen trauervollen Ausdruck wie die Gesichter derer auf der Mauer. »Bist du unser Feind, mein Jude?« fragte Titus, sehr zart. »Nein, mein Prinz«, sagte Josef. »Gehörst du zu denen jenseits der Mauer?« fragte Titus. Josef zog sich in sich zusammen, peinvoll, schwieg. »Gehörst du zu denen jenseits der Mauer?« wiederholte dringlicher Titus. »Ja, mein Prinz«, sagte Josef. Titus sah ihn an, ohne Haß, aber niemals waren sich die beiden fremder gewesen. Titus ging hinaus, immer das Aug auf dem Juden, kummervoll vor Nachdenken.
In ihrem stillen, schönen Haus in Tiberias, auf der Höhe über dem See, versuchte Berenike ihrem Bruder Agrippa zu erzählen, was sich im Lager ereignet hatte. Agrippa, als er sie zerstört und zerrüttet ankommen sah, hatte nicht gefragt. Jetzt berichtete sie um
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