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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Beläge von den Toren, von den Wänden. Halsbrecherisch kletterten sie an den Außenmauern, um die dort angebrachten Trophäen zu erbeuten, Feldzeichen und Waffen alter syrischer Könige, Feldzeichen der Zehnten Legion, vor vier Jahren dem Cestius Gall genommen. Sie plünderten die Kleiderkammern, die Gewürzkammer, die Halle der Instrumente. Die Arme voll von kostbarem, seltsamem Gerät, trabten sie eilig durch das riesige Geviert. Dies war die Krone des Feldzugs. Um dieses Haus des unsichtbaren Gottes niederzureißen und zu plündern, war man gestorben, zu Zehntausenden, hatte man Ekel und Strapazen auf sich genommen. Jetzt wollte man es ganz auskosten. Sie schrien, sie stießen nieder, lachten einfältig, stampften tan zend mit ihren genagelten Stiefeln über den Boden, dessen Marmor und Mosaik überdeckt war von Leichen und von blutigen Feldbinden mit den Initialen Makkabi.
      In den finstern Gängen, die hinunter zu den Schatzkellern führten, stauten sich die Massen. Diese Kammern waren gut verschlossen, aber die Ungeduldigen hatten nicht gewartet, bis man die Riegel mit Hebel und Maschinen öffnete, sie hatten Feuer an die Metallbeschläge der Türen gelegt. Allein das Innere hatte Feuer gefangen, bevor die Türen aufgingen, und nun schmolz es aus den Schatzkammern heraus, ein dicker, zäher Strom fließenden Metalls. Es flossen in ihm Weihgeschenke römischer Kaiser und parthischer Könige, Ersparnisse der Armen aus Galiläa, Schätze der Reichen aus Jerusalem und den Seestädten, Hunderttausende von Gold-, Silber- und Kupfermünzen, geprägt von den »Rächern Israels«, mit dem Hoheitszeichen Makkabi und mit dem Datum: Erstes, Zweites, Drittes Jahr der Befreiung.
      Knallend rissen die großen Vorhänge, ihre glühenden Fetzen flogen durch die Luft. Krachend stürzte das Gebälk des Tempelhauses, Mauertrümmer ihm nach. Bis plötzlich ein Ton kam, mächtiger als das Prasseln der Flammen, das Stürzen des Gebälks, das wüste Singen der Soldaten, das Geschrei der Sterbenden, ein Ton, schneidend, heulend, wimmernd, von den Bergen ringsum furchtbar und scheußlich zurückgeworfen. Es war die hunderttonige Schaufelpfeife. Man hatte das Unding wegzuschleppen versucht, dann aber als wertlos liegenlassen, nun strich der Wind der Flammen durch die Schaufelpfeife und machte sie tönen.
      Es war, als wecke dieser Ton die Oberstadt, die, nachdem die jüdischen Soldaten die Brücken zum Tempel zerstört hatten, gesondert auf ihrem Hügel lag. Die Verhungerten, Erschöpften der Oberstadt sahen den Rauch, das erste Feuer, sahen dann die Flammen um sich greifen, bis allmählich der ganze, weiße Tempelberg von den Wurzeln auf zu glühen schien. Sie brachten nichts aus ihren ausgedörrten Kehlen als ein schwaches Gewimmer. Aber als nun der große Schrei der Schaufelpfeife aufheulte, brach auch aus ihren Leibern das letzte Leben hervor, und aus dem Gewimmer der Hunderttausende in der Oberstadt wurde jetzt ein Schreien, ein gelles, ununterbrochenes, weißes Geschrei, und die Berge nahmen das Geschrei auf und schrien es zurück.

    Es waren übrigens an diesem Tage viele Leute aus der Oberstadt in den Tempel gegangen. Doktor Nittai hatte sie gerufen. Er hatte ein Gesicht gehabt und eine Stimme gehört. War durch die Oberstadt gezogen, erschöpft, doch beharrlich und hatte zu den Massen geredet, sie sollten zum Tempel hinaufsteigen, dort würde sich ihnen heute Jahve als Retter und Erlöser zeigen. So gläubig und befehlend hatte die alte Stimme des besessenen Mannes geklungen, daß, wer sich noch schleppen konnte, ihm folgte. Es waren viele Hunderte. Von diesen Gläubigen hatten sich nur wenige, als die Truppen abzogen, mit ihnen retten können; denn die Brücken zur Oberstadt waren schmal, die Truppen hatten sie für sich selber benötigt und hinter sich abgerissen. Von oben, vom Tempelhaus her, kamen die Flammen und die Römer. Den Gläubigen war nichts übriggeblieben, als sich in den untersten Bezirk des Tempels zu flüchten, in die große Kolonnade des Südrands unmittelbar am Abgrund.
      Die Römer, die Juden vom Innern des Tempels her aufrollend, waren jetzt bis zu diesem untersten Bezirk vorgedrungen. Sie kamen die Stufen herunter, sie sahen die in der Halle, Männer, Frauen, Kinder, Vornehme und kleine Leute, sehr viele, einen großen Haufen lebendigen Fleisches. Trotzdem der Preis der Leibeigenen durch die vielen Gefangenen außerordentlich gesunken war, repräsentierten die Tausende in der Halle einen

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