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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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gewissen Wert. Im schlimmsten Fall konnte man sie im Dutzend an die Veranstalter von Festspielen verkaufen. Aber die Soldaten wollten jetzt keine rechnerischen Erwägungen anstellen. Sie wollten jetzt ihren Privatspaß haben, sie hatten ihn sich teuer genug erkauft. Die von der Fünften riegelten die Kolonnade ab. Die Juden hatten vor sich die Römer, hinter sich den Abgrund. Offiziere kamen dazu, Oberste. Der General der Zehnten, Lepid. Sie gaben Befehl, abzuwarten, man werde die Weisung des Feldherrn einholen. Aber die von der Fünften dachten gar nicht daran, zu warten. Gerade hatten sie die Feldzeichen zurückgeholt, die die Zehnte vor vier Jahren verloren hatte, und nun sollten sie sich von dem General der Zehnten den Spaß verderben lassen? Sie waren nicht einmal aufsässig, sie lachten nur, gemütlich. Das glaubten ja die Herren selber nicht, daß die Armee sich diese Masse lebendigen Fleisches werde wegnehmen lassen. Sachkundig nahmen sie Aufstellung vor der Kolonnade, vier Glieder tief, dann zündeten sie das Zederngebälk des Daches an. Es war wirklich ein großartiger Spaß, wie die in der Halle zu tanzen anfingen, wie die ersten herausstürzten, niedergemacht wurden, wie sie kletterten, wie sie in den Abgrund sprangen, wie sie schwankten, ob sie durchs Schwert umkommen sollten, durch Absturz oder durch Feuer. Angeregt beobachteten die Soldaten, wie schwer die Eingeschlossenen zu einem Entschluß kamen. Mit Vergnügen hörten die Legionen das altvertraute Sterbegeschrei der Juden: Höre, Israel, Jahve ist einzig. Sie hatten es oft gehört, aber niemals von so vielen zusammen. Jahve, Jahve, machten sie nach, Jah, Jah schreiend wie die Esel.
      Unter den Eingeschlossenen waren zwei Herren des Großen Rats, die der Oberst Paulin persönlich kannte, Meïr Bar Belgas und Josef Bar Daläus. Paulin forderte die beiden auf, herauszukommen, sich ihm zu übergeben. Er sagte ihnen Schonung zu. Aber sie blieben, bis die Kolonnade zusammenstürzte, sie wollten umkommen mit den andern, ein Brandopfer für Jahve.

    Die ausgelosten Priester hatten die Funktion ihres Dienstes verrichtet, als geschähe rings um sie nichts Außergewöhnliches. Hatten sich eingekleidet, die Reinigung des Altars, der heiligen Geräte vollzogen wie jeden Tag. Schon waren die ersten Flammen da, schon waren die ersten Römer da, die Priester gingen durch das Getümmel hindurch, als sähen sie nichts.
      Die Römer ließen die Weißgekleideten mit dem blauen Priestergürtel zunächst unbehelligt. Dann aber machten sie sie nieder wie die andern. Sie sahen mit einer gewissen Befriedigung, daß ein Mann, der den blauen Priestergürtel dieses Jahve trug, wenn man ein Eisen in seinen Leib stieß, genauso starb wie ein anderer.
      Johann von Gischala hatte, als er mit seinen Truppen den Tempel verließ, dem Erzpriester Phanias angeboten, ihn mitzunehmen. Aber Phanias hatte es abgelehnt. Wenn er nur herausbringen könnte, was Jahve von ihm will. Es ist sehr schwer, weil Jahve ihm nur einen einfältigen Verstand gegeben hat. Wie schön wäre es, wenn er Bauarbeiter hätte bleiben dürfen. Jetzt irrt er herum, hilflos, weinerlich, seine trüben, braunen Augen suchen, wen er um Rat fragen könnte, ängstlich lauscht er, ob nicht etwa in seinem Innern eine Stimme Jahves spricht, aber er kann nichts hören. Das alles ist nur, weil er, den Schatzmeistern nachgebend, seinen achtteiligen, sündenreinigenden Ornat in ein unzugängliches Versteck hat bringen lassen. Wenn er jetzt den Ornat trüge und die heiligen Juwelen des Großen Dienstes, dann würden sich die Flammen zu seinen Füßen legen wie gehorsame Hunde, und die Römer würden tot umfallen.
      Zusammen mit andern Priestern geriet er in die Hand der Römer. Die Soldaten schickten sich an, die Priester niederzumachen. Die baten um Schonung. Schrien, der Erzpriester sei unter ihnen. Die Soldaten brachten sie vor Titus.
      Titus ist in Eile, man verlangt ihn am südlichen Tempeltor. In seiner Umgebung ist der General Litern. Der Prinz sieht, wie der General gespannt auf ihn blickt, mit einem ganz kleinen Lächeln. Dieser Litern hat es damals im Kriegsrat nicht verstehen können, daß er für die Schonung des Tempels eintrat, sicher hält er ihn für einen ästhetisierenden Schwächling. Dieser Tölpel da ist also der Erzpriester. »Verwahrt ihn«, sagt Titus, »ich will ihn im Triumph aufführen.« Dann sieht er die andern Priester, zwanzig zermürbte, elende Körper, schlotternd in weißen,

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