Der jüdische Krieg.
aus seinem Zelt, wie er war, ohne Abzeichen seines Ranges, ohne Rüstung. Mitten in den wilden, frohen Tumult hinein lief er. Viele erkannten ihn, doch sie machten kein Wesens daraus. Sie riefen ihm zu, eilig, vergnügt: Komm mit, Kamerad. Lauf mit, schmeiß mit, schmeiß das Feuer. Hep, Hep.
Er wollte wehren, den wüsten Unfug steuern. Wollte er’s wirklich? Hep, Hep, schrie er wie die andern, gegen seinen Willen. Und: Schmeiß das Feuer, Kamerad, schrie er.
Die Wachen vor dem Zelt hatten den Aufbruch des Prinzen bemerkt. Die alarmierten Offiziere, die Garden bahnten sich durch das Getümmel einen Weg zu ihm. Endlich, er war schon durch das Tor in das Innere des Tempels hineingespült, erreichten sie ihn. Er hatte sich wieder in der Gewalt. War das er gewesen, der mitgeschrien hatte? Löscht! schrie er jetzt, Wasser! Und: Löscht, Wasser! schrien die Offiziere. Unter die rasenden Soldaten stürzten sie sich: Löscht, Wasser! Mit ihren Weinrebstöcken hauten die Zenturionen auf die Verwilderten ein.
Allein es war sinnlos, den Tobenden wehren zu wollen. Tollwut, Mordrausch hatte sie gepackt, die ganze Armee. Sie hatten so unendlich lange gewartet, diese heißen, zermürbenden Monate hindurch, das da, das Bewußte unter ihre genagelten Stiefel zu treten. Jetzt wollten sie sich rächen für die Qual, sie stürzten heran, römische Legionen, syrische, arabische Kontingente der Vasallen, sich mischend. Keiner wollte zu kurz kommen, sie hatten Eile, sie gönnten es einer dem andern nicht, daß er früher daran war. Der Weg, der gebahnt werden sollte, war nicht fertig. Über den glühenden Schutt stürmten sie herbei, zertraten einander, stießen sich in die rauchenden Trümmer. Über ganze Berge von Leichen drangen sie vor.
Als Titus sah, daß es gegen das Ungestüm der Armee keinen Widerstand gab, betrat er mit seinen Offizieren das Mittelschiff des Tempelhauses, das von dem brennenden Teil durch eine dicke Mauer getrennt war. Hoch und kühl, unberührt von der Hitze und dem wüsten Getobe draußen, hob sich der Heilige Raum. Der Leuchter war da, die Schaubrottische, der Räucheraltar. Langsam schritt Titus vor, zögernd, bis zu dem Vorhang, hinter dem das Geheimnis war, das Allerheiligste. Seit Pompejus hat kein Römer diese Stelle betreten. Was ist hinter dem Vorhang? Ist vielleicht doch ein abergläubischer Spuk dahinter, ein Eselskopf, ein Ungetüm, aus Tier und Mensch gemischt? Mit der kurzen, breiten Hand greift Titus nach dem Vorhang. Hinter ihm spähen gespannt die Gesichter seiner Offiziere, vor allem eines, breit, rosig, das des Hauptmanns Pedan. Was ist hinter dem Vorhang? Der Prinz reißt ihn zurück. Ein dämmeriges, nicht großes Geviert zeigt sich. Titus tritt ein. Es riecht nach Erde und nach sehr altem Holz. Der nackte, unbehauene Stein ist da, der den Hügel gipfelt, eine große, beklemmende Einsamkeit, sonst nichts. »Na ja«, quäkt der Hauptmann Pedan achselzuckend, »Irrsinnige.«
Der Prinz atmete auf, als er wieder in dem helleren Viereck des Außenraumes stand. Er sah die noble Schlichtheit der Halle, ihr Ebenmaß, die heiligen Geräte groß und einfach an den Wänden. »Wir müssen das retten, meine Herren«, sagte er, nicht laut, doch dringlich. »Wir dürfen das nicht untergehen lassen«, forderte er. Der Hauptmann Pedan grinste. Schon züngelte es an den Toren, an alle Türangeln hatten sie Feuer gelegt. Es war zu spät.
In großer Eile schleppen die Soldaten die heiligen Geräte weg. Sie sind schwer, aus massivem Gold. Zehn Mann keuchen unter dem Leuchter, sie stürzen zusammen. Der Leuchter schüttert zu Boden, erschlägt einen Träger. Die Soldaten, angetrieben von den Zurufen des Prinzen, von den Stockhieben der Zenturionen, beugen von neuem die Rücken, schleppen die Geräte aus dem brennenden, stürzenden Heiligtum. Sie trugen hinaus die zwölf goldenen Schaubrote, die Weihgeschenke, die silbernen Trompeten der Priester, falteten den herrlichen babylonischen Vorhang zusammen, dessen Stickerei den Anblick des Himmels zeigte. Der Prinz stand auf den Stufen des Tempelhauses, hinter seinem Rücken das Feuer, und schaute zu, wie der Leuchter, der Schaubrottisch durch das Getümmel schwankten, dem römischen Lager zu, auf, nieder über den Leibern, Köpfen, Schilden wie Schiffe auf bewegtem Meer.
Die Legionäre mittlerweile tobten durch das Heiligtum, besoffen von Blut und Triumph. Sie plünderten, was sie erraffen konnten, rissen die goldenen und silbernen
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