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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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um die einzelnen Stadtviertel würfelten, sie zur Plünderung unter sich aufteilend, Straße für Straße, ging Josef zuerst ins Fort Phasael, dort hatten die jüdischen Führer ihre Gefangenen verwahrt. Er wollte Vater und Bruder aus dem Gefängnis herausholen. Aber das Fort war leer, man fand nur Tote dort, Verhungerte. Die er suchte, waren nicht darunter. Vielleicht hatten die Makkabi-Leute ihre Gefangenen beim Einbruch der Römer erledigt, vielleicht hat sich ein Teil in die Unterwelt gerettet.
      Josef stieg tiefer hinein in die Stadt, ging durch Brand und Gemetzel, verhärtet in der kühlen, krampfigen Sachlichkeit des Chronisten. Den ganzen langen, heißen Sommertag hindurch strich er die hügeligen Gassen auf und ab, die Treppenwege, die Durchgänge, vom Herodespalast zum Gartentor, zum Obermarkt, zum Essäertor, und wieder zum Herodespalast. Durch diese Straßen und Winkel hatte er sich dreißig Jahre getrieben, als Kind, als junger Mensch, als Mann. Er kannte hier jeden Stein. Aber er schnürte den Schmerz ab, er wollte nichts sein als Auge und Schreibgriffel.
      Er war unbewaffnet; nur sein goldenes Schreibzeug trug er merkwürdigerweise im Gürtel. Es war nicht ungefährlich, sich so in dem preisgegebenen, zusammenstürzenden Jerusalem herumzutreiben, gar, wenn man einem Juden gleichsah. Er hätte sich schützen können, wenn er die Auszeichnung des Titus getragen hätte, die Plakette mit dem Medusenhaupt. Aber dies brachte er nicht über sich.
      Er ging zum drittenmal in die Fischerstraße, zum Haus seines Bruders. Das Haus war leer, alles Bewegliche daraus weggeschafft. Die Soldaten hatten sich dem Hause nebenan zugewendet. Auch das hatten sie bereits kahl geplündert, sie waren dabei, Feuer anzulegen. Josef schaute durch das offene Tor in den Hof. Dort, mitten in Lärm und Verheerung, stand ein alter Mann, den Gebetmantel um die Schultern, die Gebetriemen an Kopf und Arm, die Füße geschlossen. Josef trat näher. Der Alte sprach laut, den Oberkörper schaukelnd, sein Gebet; denn es war die Stunde der Achtzehn Bitten. Er betete inbrünstig, sein ganzer Leib betete mit, wie es Vorschrift war, und als er zur vierzehnten Bitte kam, betete er sie in der alten Form, wie man sie während des Exils in Babel gebetet hatte: »Laßt schauen unsre Augen, wie du zurückkehrst nach Jerusalem mit Erbarmen wie ehemals.« Es waren verschollene Worte, nur durch die Gelehrten aufbewahrt, sie waren Geschichte, sechshundertfünfzig Jahre lang hatte sie kein Mensch mehr gebetet. Der Alte aber, an diesem ersten Tag, da sie wieder Sinn bekamen, betete sie, zuversichtlich, selbstverständlich. Sein Gebet erwirkte, was alle Schrecken dieses Tages auf Josef nicht vermocht hatten. Durch die gewollte Härte des Betrachters brach plötzlich, ihn von innen her aufreißend, die Erschütterung über den Fall seiner Stadt.
      Die Soldaten, mit dem brennenden Haus beschäftigt, hatten sich bisher um den Alten nicht gekümmert. Jetzt stellten sie sich belustigt um ihn, machten ihm nach: Jah, Jah, packten ihn, rissen ihm den Gebetmantel vom Kopf, verlangten, er solle nachsprechen: Jahve ist ein Esel, und ich bin der Knecht eines Esels. Sie zerrten ihn am Bart, stießen ihn herum. Da trat Josef dazwischen. Herrisch verlangte er, die Soldaten sollten den alten Mann in Ruhe lassen. Die dachten nicht daran. Wer er denn sei, daß er ihnen befehlen wolle? Er sei des Feldherrn Privatsekretär, erklärte Josef, und handle mit seinem Einverständnis. Hatte er nicht Erlaubnis, siebzig Gefangene loszubitten? Da könne jeder kommen, erklärten die Soldaten. Sie redeten sich in Wut, fuchtelten mit ihren Waffen. Er gehöre wahrscheinlich selber zu den Juden, so ohne Rüstung, mit seinem jüdischen Latein. Sie hatten Wein getrunken, sie wollten Blut sehen. Es war toll gewesen von Josef, sich einzumischen, ohne daß er einen schriftlichen Befehl vorzeigen konnte. Aus Jotapat ist er heil hervorgegangen, aus so vielen andern Gefahren, jetzt wird er hier einen lächerlichen Tod sterben, das Opfer eines Irrtums besoffener Soldaten. Da fiel ihm etwas ein. »Schaut mich an«, forderte er die Soldaten auf. »Wenn ich wirklich zu den Belagerten gehörte, müßte ich da nicht magerer sein?« Das leuchtete ihnen ein, sie ließen ihn laufen.
      Josef suchte den Prinzen. Er fand ihn in böser Laune. Die Frist, die sich Titus gegeben hatte, war abgelaufen. Jerusalem war gefallen, morgen, spätestens übermorgen, wird er nach Thekoa reiten. Die

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