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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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voll feindseliger Ironie gegen Josef. Langsam begriff Josef: dieser Mann maß sich die Schuld am Untergang des Tempels bei. Er hat Josef zu Poppäa gebracht, er im Grund hat die Amnestierung der drei erwirkt, und ist nicht alles Übel ausgegangen von dieser Amnestierung? Die Amnestierung, das Edikt über Cäsarea, der Aufstand, die Einäscherung des Tempels, das war eine Kette. Und der Anfang der Kette war er. Von ihm damals hing es ab: spielte er den Juden Apella oder nicht? Jahve hatte in seine Hand die Lose über Bestand und Untergang gelegt, und seine Unglückshand hat das Los des Verderbens geworfen. Er erhob sich. Er begann aufzusagen die große Verfluchung aus dem Fünften Buch Mosis. Sicherlich hat er niemals einen von den Propheten gesehen oder gehört, die, echte und falsche, in diesen letzten Jahrzehnten in Jerusalem aufgestanden sind; aber es war die Geste dieser Propheten, selbst ihr Singsang, in seinen griechischen Worten. Der Schauspieler Liban war kein stattlicher Mann, er war eher klein von Wuchs, aber er ragte wie ein finsterer Baum. »Am Morgen wirst du sprechen: wer gäbe Abend, und am Abend wirst du sprechen: wer gäbe Morgen, vor Bangigkeit deines Herzens.« Schauerlich wälzten sich die düsteren Verwünschungen aus seinem Mund, eintönig, wuchtig, herzbeklemmend. »Und so ist es geschehen«, konstatierte er manchmal mitten hinein, nüchtern, aber mit wüster, verzweifelter Genugtuung. Josef, nach dieser Zusammenkunft mit Demetrius Liban, saß zwei Tage allein in seinem großen, finstern Haus. Am dritten Tag ging er über die Emiliusbrücke, auf die andere Seite des Tiber, unter die Juden.
      Die Juden der Stadt Rom haben, solange der Feldzug dauerte, der Regierung ihre Loyalität auf jede Art gezeigt. Sie sind loyale Untertanen auch jetzt noch, die Aufrührer trugen selber die Schuld, gewiß: aber sie scheuen sich nicht, trotzdem ihren Jammer über die Zerstörung des Heiligtums offen kundzutun. Sie wollen auch ihren Abscheu nicht verstecken, daß Juden bei der Zerstörung mitgeholfen haben. Josef, wie er die Stadtteile am rechten Ufer betritt, stößt auf einen ungeheuern Haß. Alle dort halten die sieben Schritte Abstand. Er geht durch einen leeren Raum, zwischen Mauern aus Verachtung.
      Er wendet sich zum Haus des Cajus Barzaarone. Der Präsident der Agrippenser-Gemeinde, der ihm ehemals seine Tochter zur Frau hat geben wollen, steht ihm gegenüber, hält die sieben Schritte Abstand. Das Gesicht des schlauen, jovialen Mannes ist finster, verzerrt vor Feindschaft. Cajus Barzaarone hat auf einmal eine große Ähnlichkeit mit seinem Vater, dem uralten, mummelnden Aaron. Josef steht entmutigt vor diesem zugesperrten Gesicht. »Entschuldigen Sie«, sagt er und wendet die Hände hilflos nach außen. »Es hat keinen Zweck.« Er kehrt um. Durch ein Spalier von Todfeinden hindurch verläßt er das Judenviertel, geht zurück über die Emiliusbrücke.
      Am andern Ufer, wie er um die Ecke ist, von den Juden nicht mehr gesehen, hört er hinter sich den Schritt eines Verfolgers, er glaubt, ihn schon länger gehört zu haben. Unwillkürlich greift er nach seinem großen goldenen Schreibzeug, sich zu schützen. Da ruft eine Stimme hinter ihm, aramäisch: »Erschrecken Sie nicht. Haben Sie keine Angst. Ich bin’s.« Es ist ein sehr junger Mensch, das Gesicht kommt Josef bekannt vor. »Ich habe Sie schon einmal gesehen«, sagt der Junge, »als Sie zum erstenmal in Rom waren.« – »Sie sind ...?« besinnt sich Josef. »Ich bin Cornel, der Sohn des Cajus Barzaarone.« – »Was wollen Sie?« fragt Josef. »Warum halten Sie nicht die sieben Schritte Abstand?« Aber der junge Cornel kommt näher an ihn heran. »Verzeihen Sie den andern«, bittet er, und seine Stimme klingt herzlich, zutraulich, tapfer. »Die andern verstehen Sie nicht, aber ich verstehe Sie. Bitte, glauben Sie mir.« Er tritt dicht zu ihm, schaut zu ihm auf. »Ich habe Ihren Kosmopolitischen Psalm gelesen. Oft, wenn es ringsum wirr und undurchsichtig wird, spreche ich ihn mir vor. Hier ist alles eng und in Mauern, Sie haben den Blick ins Weite. Sie sind ein Großer in Israel, Flavius Josephus, einer von den Propheten.« Dem Josef rann ein heißer Trost durchs Herz. Daß dieser junge Mensch sich zu ihm stellte, der nichts von ihm kannte, nur sein Wort, das war ihm eine gute Bestätigung. »Ich freue mich, Cornel«, sagte er, »ich freue mich sehr. Ich habe Erde mitgebracht aus dem Schutt Jerusalems, ich habe Schriftrollen aus Jerusalem

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