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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Römern nicht zumuten. Er überlegt hin und her. Sie hat ihre östlichen Gefühle, ihre Wüstenstimmungen. Andernteils hat sie Sinn für Realität. Nach einer halben Stunde Geredes nimmt Titus an: entweder die Prinzessin wohnt in der Kaiserlichen Loge dem Triumph bei oder sie verläßt Italien.
      Er bittet Berenike zu sich. Er ist gewiß, er wird das leidige Geschäft in den ersten fünf Minuten erledigt haben. In der Vorhalle, auf ihre Ankunft wartend, beschließt er nochmals, das Ganze möglichst leicht zu behandeln, als eine Selbstverständlichkeit.
      Aber dann ist Berenike da, sie ist heiter und ernst zugleich, ihr großer, kühner Kopf neigt sich vertrauensvoll zu ihm, ihre dunkle Stimme spricht zu ihm, und auf einmal scheint ihm sein Vorhaben unmöglich. Wie soll er an diese Frau dieses plumpe Ansinnen stellen? Er macht sich Mut, nur keine langen Vorbereitungen, er wird es im Sprung wagen; es ist, wie wenn man den Atem lang einzieht, um sich mit Entschluß in sehr kaltes Wasser zu stürzen. »Der Triumph«, sagt er, und seine Stimme kommt verhältnismäßig frei, er muß sich nicht einmal räuspern, »der Triumph soll jetzt endgültig in zehn Tagen stattfinden. Ich werde dich doch in der Loge sehen, Nikion?« Es ist eigentlich sehr glatt gegangen, nur hat er vor sich hin gespro chen, ohne Blick auf sie, auch jetzt sieht er sie nicht an. Berenike erblaßt. Es ist gut, daß sie sitzt, sie fiele sonst um. Der Mann hat den Hain von Thekoa geschlagen, dann hat er sie mit Gewalt genommen, dann hat er es geschehen lassen, daß der Tempel niederbrannte. Und sie, da sie nicht nein sagte, hat immer ja gesagt. Sie hat alles geschluckt, weil sie von dem Manne nicht loskam, von seinem breiten Bauerngesicht nicht, von seiner Brutalität nicht, von seiner kindisch launischen Grausamkeit nicht, von seinen kleinen Zähnen nicht. Sie hat den Blutgeruch eingeatmet, den Brandgeruch, sie hat auf die Wüste verzichtet, auf die Stimme ihres Gottes. Und nun also lädt der Mann sie ein, seinen Triumph über Jahve mit anzusehen, von der Loge aus. Eigentlich handelt er ‘,. folgerichtig, und für die Römer mag es eine pikante Beigabe zu diesem Triumph sein, wenn sie, die makkabäische Fürstin, die Beischläferin des Siegers, zusieht. Aber sie wird nicht zusehen. Es wäre erträglich, im Triumph mitzugehen, in Ketten, eine Gefangene. Aber freiwillig in der Loge des Siegers sitzen, die Sauce zu seinem Braten abgeben, nein. »Ich danke dir«, sagt sie, ihre Stimme ist nicht laut, aber jetzt sehr heiser. »Ich werde am Tag des Triumphes nicht mehr in Rom sein. Ich werde zu meinem Bruder reisen.«
      Er sieht auf, er sieht, daß er diese Frau am Leben getroffen hat.
      Er hat es nicht gewollt. Er hat nichts von dem gewollt, was er ihr angetan hat. Immer ist er hineingeschliddert. Auch jetzt. Sein Vater hat ihn gestoßen, und er hat sich nicht dagegen gestemmt. Diese andern sind aus so leichtem, schwebendem Stoff, und man selber ist so fest und grob, und immer erkennt man es zu spät. Wie konnte er ihr zumuten, daß sie sich diesen plumpen Triumph anschauen soll? Er selber wird auf den Triumph verzichten, er wird krank werden. Er stammelt, er überhastet sich. Aber er spricht ins Leere, sie ist schon gegangen, ist fort.
      Sein Gesicht verzerrt sich in wüste Raserei. Aus seinem kleinzahnigen Mund geifert er Soldatenflüche gegen die Frau. Gegen ihre zimperliche, östliche Ziererei. Warum kann sie nicht dem Triumph zuschauen? Haben nicht andere, germanische Fürsten zum Beispiel, Triumphen zugeschaut, bei denen ihre eigenen Söhne, Brüder, Enkel in Ketten aufgeführt wurden? Er hätte sich nicht bluffen lassen dürfen, hätte sie als ein Mann behandeln müssen. Es wäre nicht schwer gewesen, sie einer Illoyalität, einer aufrührerischen Handlung zu bezichtigen, sie gefangenzusetzen, sie selber im Triumph aufzuführen, in Ketten, und sie dann, bis ins letzte gedemütigt, aus dem Dreck aufzuheben, mild, stark, gütevoll, ein Mann. Dann kennt sie endlich ihren Platz, die Überhebliche. Aber noch während er dies dachte, wußte er, daß das knabenhafte Phantasien waren. Sie war eben keine Barbarin, sie war nicht wie jener deutsche Barbarenfürst Segest, sie war eine wirkliche Königin, voll von uralter östlicher Hoheit und Weisheit. Seine ganze Wut kehrte sich gegen ihn selber. Rom, der Triumph, war ihm verhunzt. Im Osten ist das Leben, und hier ist alles kahl und beschissen. Das Capitol ist ein Dreck, vergleicht man es mit dem

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