Der jüdische Krieg.
Stadt hinschaute, jetzt braucht er nur die Hand auszustrecken, und er hat es erreicht. Der Kaiser und der Prinz bitten ihn um sein Wort, um Wort und Geist vom Geist des Ostens.
Bitter kneift Josef die Lippen ein. Leider hat der Großdoktor Jochanan Ben Sakkai recht. Was ihm damals das Ende schien, ist erst der Anfang. Verschmelzung östlicher Weisheit mit westlicher Technik, das ist eine Sache von harter Mühe und von wenig Glanz. Der Wagen ist weitergefahren, er hält am Tor. Josef hat Dorion seine Ankunft nicht angezeigt. Er liebt Dorion, er hat ihr Bild nicht vergessen, wie sie das erstemal vor ihm stand, die Katze im Arm, ihre dünne, geliebte Kleinmädchenstimme nicht, und nicht, wie sie ihren langen, braunen Körper ihm anschmiegt, wild, ohnmächtig, ergeben. Aber es sind jetzt so viele Gesichte zwischen ihm und ihr, Dinge, aus denen sie ausgeschlossen ist. Er will abwarten, will nicht Hoffnungen in ihr erwecken, will sehen, spüren, ob noch jenes Fließende zwischen ihm und ihr ist wie damals.
Das Haus Dorions ist klein, gefällig, modern. Der leibeigene Türhüter fragt Josef nach seinem Begehr. Josef nennt seinen Namen, der Türhüter neigt sich tief, rennt fort. Josef steht allein in der Empfangshalle, er verfinstert sich. Ringsum ist alles geschmückt mit Bildern, Statuen, Mosaiken, wahrscheinlich von diesem Fabull. Was soll er hier? Er kann hier nicht leben.
Und jetzt kommt Dorion. Wie damals hebt sich auf ihrem steilen Kinderhals leicht, rein der lange, dünne Kopf mit dem großen Mund. Sie steht und schaut ihn an mit ihren meerfarbenen Augen, die zusehends dunkler werden. Sie möchte lächeln, aber sie ist ganz schwach, sie kann nicht einmal lächeln. Sie hat ihn so lange erwartet, und nun, großen Dank, Götter, ist er da. Sie hat gefürchtet, dieses widerliche Judäa werde ihn für immer verschlingen, und nun, großen Dank, Götter, ist er gekommen. Sie wird blaß, zuerst um den Mund herum, dann über das ganze Gesicht, sie starrt ihn an, und jetzt tritt sie auf ihn zu, sie stößt einen kleinen, schrillen Schrei aus und gleitet an ihm nieder, er muß sie halten. Dies ist die gelbbraune Haut des Mädchens, das er liebt. Sie ist süß und glatt, und o wie kalt sie ist, diese Haut, weil das Mädchen ihn liebt.
Minuten vergehen, die beiden haben noch kein Wort gesprochen. Sie ist die Süßigkeit der Welt. Wie sie an ihm niedergleitet, tödlich erblaßt, ohnmächtig vor Erregung, werden ihm die Knie schwach. Du sollst dich nicht vergatten mit ihnen. Vor ihm steht sein Buch, die kahle Landschaft mit der Leichenschlucht, der Tempelberg, glühend von seinen Wurzeln auf. Was sollen die albernen Mosaiken ringsum, diese läppischen, freundlichen Bilder häuslichen Lebens? Was soll ; er hier? Was will die Frau? Er ist hier ganz fremd.
»Du bist hier ganz fremd«, sagt sie, es ist das erste Wort, das sie seit einem Jahr zu ihm spricht. Sie hält ihn an den Schultern, sie hat die Arme gestreckt, sie schaut ihm ins Gesicht. Sie sagt: du bist hier ganz fremd, sie stellt es fest, ernst, ohne Klage. Sie liebt ihn, darum weiß sie es.
Kleine Tröstungen, kleine Lügen haben hier keinen Sinn. »Ja«, erwidert er. »Ich kann hier nicht leben. Ich kann jetzt nicht mit dir leben, Dorion.«
Dorion sagt kein Wort des Widerspruchs. Sie spürt, dieser ist nicht mehr ihr Josef, er ist ein anderer, voll von Gesichten, die nicht die ihren sind. Aber sie gehört zu ihm, auch wenn er sich in dieser Gestalt zeigt, sie ist zäh und tapfer, sie wird ihn auch in dieser Gestalt erringen. Sie hält ihn nicht. »Wenn du mich willst, laß mich kommen«, sagt sie.
Josef geht. Er fühlt sich sehr fremd in Rom. Er drückt sich durch die Straßen, die Kolonnaden. Wenn er bekannte Gesichter sieht, wendet er den Kopf weg, er will mit niemandem reden. Nach einigem Hin und Her entschließt er sich, geht zu Claudius Regin.
Der Verleger sieht müde aus, alle Teile seines fleischigen Gesichtes hängen. »Gegrüßt sei, der da kommt«, grinst er. »Nun, mein Prophet, was macht Ihr Buch? Ihre Prophezeiung hat sich erfüllt, auf eine etwas eigentümliche Art allerdings. Ich denke, Sie könnten jetzt an die Arbeit gehen. Oder wollen Sie sich drücken?« – »Ich habe mich nicht gedrückt«, sagt verbissen Josef. »Sie wissen nicht, wie schwer das manchmal war. Aber ich habe mich nicht gedrückt.«
»Ich bin zuweilen Ihrer schönen Frau begegnet, der Ägypterin«, sagte der Verleger. »Ich werde nicht mit
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