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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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großen Brand den Cajus Barzaarone Hunderttausende. Er suchte Ausflüchte, Auswege. Machte geltend, er benütze die Möbel seines Magazins ja nicht selber, sondern verkaufe sie weiter. Er holte Gutachten ein bei einer Reihe von Theologen; angesehene Doktoren in Jerusalem, Alexandrien und Babylon erklärten die Herstellung der fraglichen Ornamente in seinem Fall für eine läßliche Sünde oder gar für erlaubt. Dennoch zögerte Cajus Barzaarone. Er sprach keinem Menschen von diesen Gutachten. Er wußte genau: wenn er sich, darauf gestützt, über die Bedenken der Orthodoxen wegsetzt, wird das seine Stellung in der Agrippenser-Gemeinde ernstlich gefährden. Sein Vater gar, der uralte Aaron, könnte von dem Gram über solchen Liberalismus, Gott behüte, den Tod haben. Der nach außen so sichere Mann war voll von Zweifeln und Sorgen.
      Josef nahm es nicht genau mit der Befolgung der orthodoxen Riten. Aber »Du sollst dir kein Bild machen«, das war mehr als ein Gesetz, es war eine der Grundwahrheiten des Judentums. Wort und Bild schlossen einander aus. Josef war Literat bis in alle Poren. Er hing an dem unsichtbaren Wort. Es war das Wunderbarste, was es auf der Welt gab, es wirkte gestaltlos stärker als jede Gestalt. Nur der konnte Gottes Wort, das heilige, unsichtbare, in Wahrheit besitzen, der es nicht durch sinnliche Vorstellungen befleckte, der aus innerstem Herzen auf den eitlen Tand des Bildwerks verzichtete. Er hörte die Darlegungen des Cajus Barzaarone verschlossenen Gesichtes an, ablehnend. Gerade das aber lockte den Alten. Ja, Josef hatte den Eindruck, man hätte ihn nicht ungern als Schwiegersohn gesehen.
      Unterdes sickerte langsam durch, daß die Freilassung der drei Unschuldigen an, eine Bedingung geknüpft war. Die Freude der Juden, als sie diese Bedingung hörten, schlug jäh um. Was? Der Schauspieler Demetrius Liban soll den Juden Apella spielen, im Pompejus-Theater womöglich, vor vierzigtausend Menschen? Der Jude Apella. Die Juden überfröstelte es, wenn sie den bösartigen Spitznamen hörten, in den Rom seinen Widerwillen gegen die Zugewanderten am rechten Tiberufer gepreßt hatte. Das Spottwort hatte eine üble Rolle gespielt bei den Pogromen unter den Kaisern Tiber und Claudius, es bedeutete Gemetzel und Plünderung. Konnte der Haß, der jetzt schlief, nicht jeden Augenblick wieder aufwachen? War es nicht ebenso dumm wie frevelhaft, an das Ruhende zu rühren? Man hatte schlimme Beispiele, wozu ein römisches Theaterpublikum sich im Affekt hinreißen ließ. Es war ungeheuerlicher Übermut, wenn Demetrius Liban den Juden Apella auf die Bühne beschwor.
      Von neuem, mit gesteigerter Wildheit, erhoben sich die strengeren unter den jüdischen Doktoren gegen den Schauspieler. War es nicht schon Sünde, sich auf eine Bühne zu stellen, in die Haut und Kleider eines andern Menschen zu schlüpfen? Hatte nicht Gott, gelobt sei sein Name, einem jeden sein Gesicht und seine Haut gegeben? War es also nicht Auflehnung, sie vertauschen zu wollen? Aber gar einen Juden darstellen, einen aus dem Samen Abrahams, einen Auserwählten, zum Spaß der Unbeschnittenen, das war Todsünde, das war Überhebung, das mußte Unheil heraufbeschwören auf die Häupter aller. Und sie
    forderten Bann und Ächtung des Demetrius Liban.
      Die Liberalen unter den Doktoren verteidigten den Schauspieler mit Wärme. Geschah, was er plante, nicht zum Heil der drei Unschuldigen? War es nicht das einzige Mittel, diese drei zu erretten? War nicht, den Gefangenen zu helfen, eines der obersten Gebote der Schrift? Durfte man dem Schauspieler sagen: Tu es nicht, laß die drei verfaulen, wie Tausende von den Vorvätern verkommen waren in den Ziegeleien Ägyptens?
      Heftig diskutierte man. Scharfsinnig in den Seminaren der Theologiestudenten setzte man Bibelzitat gegen Bibelzitat. Allen jüdischen Hochschulen legte man das interessante Problem vor, stritt sich darüber in Jerusalem, in Alexandrien, unter den großen Doktoren Babylons, im fernen Osten. Es war eine Angelegenheit, so recht geschaffen für Theologen und Juristen, ihren Witz daran zu üben.
      Der Schauspieler selber ging herum und zeigte jedem den tragischen Konflikt zwischen seinem religiösen und seinem künstlerischen Gewissen. Innerlich war er längst entschlossen, den Juden Apella zu spielen, koste es, was es wolle. Er wußte auch genau, wie er es machen werde. Bereits hatten ihm seine Librettisten, vor allem der feine, spitze Senator Marull, eine wirksame

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