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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ein Mißgriff, er hätte das nicht machen sollen. »Sie sind mir übrigens noch eine Antwort schuldig, Demetrius«, fuhr die Kaiserin fort. »Sie erzählen da immer von einer großen revolutionären Idee, die Sie in Ihrem Kopf wälzen. Wollen Sie nicht endlich herausrücken mit dieser Idee? Offen gestanden, ich glaube nicht mehr recht daran.«
      Der Schauspieler saß finster und gereizt. »Ich habe keinen Anlaß mehr, mit der Idee zurückzuhalten«, sagte er schließlich streitbar. »Sie hängt zusammen mit dem, wovon wir die ganze Zeit reden.« Er machte eine kleine, wirkungsvolle Pause und warf dann ganz leicht hin: »Ich möchte den Juden Apella spielen.«
      Josef erschrak. Der Jude Apella, das war die Figur des Juden, wie der bösartige römische Volkswitz ihn sah, ein sehr widerwärtiger Typ, abergläubisch, stinkend, voll ekelhafter Skurrilität; der große Dichter Horaz hatte ein halbes Jahrhundert zuvor die Figur in die Literatur eingeführt. Und jetzt wollte Demetrius Liban ...? Josef erschrak.
      Fast noch mehr erschrak er über die Kaiserin. Ihr mattweißes Gesicht hatte sich gerötet. Es war zum Bewundern und zum Fürchten, wie vielfältig lebendig sie war.
      Der Schauspieler genoß seine Wirkung. »Man hat«, erläuterte er, »auf unsern Bühnen Griechen und Römer und Ägypter und Barbaren dargestellt, aber einen Juden hat man nicht dargestellt.«
      »Ja«, sagte leise und angestrengt die Kaiserin, »das ist eine gute und gefährliche Idee.« Alle drei saßen schweigsam, nachdenklich.
      »Eine zu gefährliche Idee«, sagte schließlich der Schauspieler, trauervoll, schon bereuend. »Ich fürchte, ich werde sie nicht ausführen können. Ich hätte sie nicht aus meinem Mund herauslassen dürfen. Es wäre schön, den Juden Apella zu spielen, nicht den albernen Narren, den das Volk aus ihm macht, sondern den wirklichen mit seiner ganzen Trauer und Komik, mit seinem Fasten und seinem unsichtbaren Gott. Ich bin wahrscheinlich der einzige auf der Welt, der das könnte. Es wäre großartig. Aber es ist zu gefährlich. Sie, Majestät, verstehen etwas von uns Juden: aber wie wenige sonst in diesem Rom. Man wird lachen, und nur lachen, und mein Bestes würde zu einem bösartigen Gelächter werden. Es wäre schlecht für alle Juden.« Und, nach einer Pause, schloß er: »Und dann wäre es gefährlich für mich selber vor meinem unsichtbaren Gott.«
      Josef saß erstarrt. Das waren wilde und überaus bedenkliche Dinge, in die er da hineingeraten war. Er hatte am eigenen Leib gespürt, wie ungeheuer eine solche Theateraufführung wirken konnte. Seine rasche Phantasie stellte sich vor, wie der Schauspieler Demetrius Liban auf der Bühne stand und sein unheimliches Leben hineingoß in den Juden Apella, tanzend, springend, betend, redend mit den tausend Zungen seines beredten Körpers. Der ganze Erdkreis wußte, wie willkürlich die Launen eines römischen Theaterpublikums waren. Niemand konnte voraussehen, was für eine Nachwirkung bis an die parthischen Grenzen solch eine Aufführung haben mochte.
      Die Kaiserin hatte sich erhoben. Mit einer merkwürdigen Gebärde verschränkte sie die Hände unter dem Haarknoten, daß die Ärmel zurückfielen, sie ging auf und ab durch den ganzen Raum, die Schleppe ihres ernsthaften Kleides fegte nach. Die beiden Männer waren aufgesprungen, als die Kaiserin sich erhob. »Schweigen Sie, schweigen Sie«, sagte sie zu dem Schauspieler, sie war Feuer und Flamme. »Seien Sie nicht feig, wenn Sie einmal eine wirklich gute Idee gehabt haben.« Sie blieb bei dem Schauspieler stehen, legte ihm, zärtlich fast, die Hand auf die Schulter. »Das römische Theater ist langweilig«, klagte sie. »Entweder derb und simpel oder verkommen in lauter dürrer Tradition. Spielen Sie mir den Juden Apella, lieber Demetrius«, bat sie. »Reden Sie ihm zu, junger Herr«, wandte sie sich an Josef. »Glauben Sie mir, ihr alle könnt mancherlei lernen, wenn er den Juden Apella spielt.«
      Josef stand schweigend, in peinvoller Ungewißheit. Röte kam, ging auf seinem blaßbraunen Gesicht. Sollte er Demetrius zureden? Er wußte, das ganze Wesen des Schauspielers dürstete danach, sein Judentum nackt vor die Augen dieses großen Rom zu stellen. Es bedurfte nur eines Wortes von ihm, und der Stein begann zu rollen. Wohin er rollen werde, wußte niemand.
      »Ihr seid langweilig«, konstatierte mißmutig die Kaiserin. Sie hatte sich wieder gesetzt. Die beiden Männer standen noch, der

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