Der jüdische Krieg.
die da kommt im Namen des Herrn.
Dann begann der König seine Rede. In eindringlichen Sätzen führte er aus, wie hoffnungslos eine Erhebung gegen das römische Protektorat sei. Er hob, der elegante Herr, die Schultern, ließ sie wieder fallen, malte mit seinem ganzen Körper die Sinnlosigkeit des Unternehmens. Hatten nicht alle Völker der Erde sich auf den Boden der Tatsachen gestellt? Die Griechen, die sich einstmals gegen ganz Asien hatten behaupten können, die Makedonier, deren Alexander vor Zeiten den großen Samen eines Weltreiches ausgestreut hatte: genügte heute nicht eine Besetzung von zweitausend römischen Soldaten für beide Länder zusammen? Gallien hatte dreihundertfünf verschiedene Stämme, besaß ausgezeichnete natürliche Befestigungen, erzeugte alle Rohstoffe im eigenen Land: reichten nicht zwölfhundert Mann aus, nicht mehr, als das Land Städte hatte, um jeden leisesten Gedanken an Auflehnung zu unterdrücken? Zwei Legionen genügten, römische Ordnung in dem riesigen, reichen, altkultivierten Ägypten zu sichern. Gegen die Deutschen, bekanntlich von einer Gemütsart heftiger als die der wilden Tiere, kam man mit vier Legionen aus, und im ganzen Gebiet diesseits des Rheins und der Donau reiste man so friedlich wie in Italien selbst. »Habt ihr denn«, der König schüttelte bekümmert den Kopf, »keinen Maßstab für eure eigene Schwäche und die Kraft Roms? Sagt mir doch, wo habt ihr eure Flotte, eure Artillerie, eure Finanzquellen? Die Welt ist römisch: wo wollt ihr Bundesgenossen und Hilfe hernehmen? Vielleicht aus der unbewohnten Wüste?«
König Agrippa redete seinen Juden gut zu wie unverständigen Kindern. Genau betrachtet, seien die Steuern, die Rom verlange, nicht übermäßig hoch. »Bedenkt doch, die Stadt Alexandrien allein bringt in einem Monat mehr Steuern auf als ganz Judäa in einem Jahr. Und leistet Rom nicht auch allerhand für diese Steuern? Hat es nicht ausgezeichnete Straßen geschaffen, moderne Wasserleitungen, eine rasch arbeitende, gut geschulte Verwaltung?« Mit großer, dringlicher Geste beschwor er die Versammlung. »Gerade noch liegt das Schiff im Hafen. Seid vernünftig. Fahrt nicht mitten in das fürchterliche Unwetter und den sicheren Untergang.«
Die Rede des Königs machte Eindruck. Viele riefen, sie seien nicht gegen Rom, sie seien nur gegen diesen Gouverneur, gegen Gessius Flor. Hier aber hakten geschickt die »Rächer Israels« ein. Der junge, elegante Doktor Eleasar vor allem forderte in wirkungsvollen Sätzen, der König solle als Erster ein Ultimatum an Rom unterzeichnen, das die sofortige Abberufung des Gouverneurs verlangte. Agrippa wich zurück, suchte hinzuzögern, auszubiegen. Eleasar drängte auf klare Antwort, der König lehnte ab. Immer mehr schrien: »Die Unterschrift! Das Ultimatum! Nieder mit Gessius Flor!« Die Stimmung schlug um. Man rief, der König stecke mit dem Gouverneur unter einer Decke, sie alle wollten nur das Volk ausbeuten. Schon drangen einige entschlossen aussehende Burschen auf den König ein. Gerade noch konnte er sich unter dem Schutze seiner Herren heil in das Palais zurückziehen. Den Tag darauf verließ er die Stadt, sehr erbittert, begab sich in seine sicheren transjordanischen Provinzen.
Nach dieser Niederlage der Feudalherren und der Regierung trieben es die Radikalen mit allen Mitteln zum Äußersten. Seit der Begründung der Monarchie, seit hundert Jahren, sandten Kaiser und Senat von Rom allwöchentlich ein Opfer für Jahve und seinen Tempel. Jetzt gab Doktor Eleasar als Chef der Tempelverwaltung den diensttuenden Priestern Anweisung, dieses Opfer nicht mehr anzunehmen. Vergeblich beschworen ihn der Erzpriester und sein Kollegium, die Schutzmacht nicht auf so unerhörte Art zu provozieren. Doktor Eleasar schickte das Opfer des Kaisers mit Hohn zurück.
Dies war das Zeichen für die jüdischen Kleinbürger, Bauern und Proletarier, sich offen gegen die Römer und gegen ihre eigenen Feudalherren zu erheben. Die römische Garnison war schwach. Die »Rächer Israels« waren bald im Besitz aller strategisch wichtigen Punkte der Stadt. Sie steckten das Finanzamt in Brand, vernichteten unter Jubelgeschrei die Steuerlisten und Hypothekenverzeichnisse. Zerstörten und plünderten die Häuser vieler mißliebiger Aristokraten. Schlossen die römischen Truppen im Makkabäerpalais ein. Die Römer hielten diesen letzten, stark befestigten Stützpunkt mit großer Tapferkeit. Aber ihre Position war
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