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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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aussichtslos, und als ihnen die Juden gegen Ablieferung der Waffen freien Abzug zusicherten, nahmen sie das Angebot mit Freuden an. Beide Parteien bekräftigten das Abkommen durch Eid und Handschlag. Sowie aber die Belagerten die Waffen abgelegt hatten, stürzten sich die »Rächer Israels« auf die Wehrlosen und machten sich daran, sie niederzumetzeln. Die Römer leisteten keinen Widerstand, sie baten auch nicht um ihr Leben, aber sie riefen: Eid! Vertrag! Sie riefen es im Chor, immer weniger riefen es, immer schwächer wurde der Chor, zuletzt rief nur mehr ein einziger:
    Eid! Vertrag!, und dann verstummte auch er. Dies geschah am
    7. September, am 20. Elul jüdischer Rechnung, einem Sabbat.
      Der Rausch der Tat kaum vorbei, bemächtigte sich der ganzen Stadt eine tiefe Beklemmung. Wie zur Bestätigung dieses üblen Gefühls trafen sehr bald schon Nachrichten ein, in zahlreichen Städten mit gemischter Bevölkerung seien die Griechen über die Juden hergefallen. In Cäsarea allein waren an jenem schwarzen Sabbat zwanzigtausend Juden gemetzelt worden, die übrigen hatte der Gouverneur in die Docks getrieben und zu Leibeigenen erklärt. Als Antwort verheerten die Juden in den Städten, in denen sie die Majorität hatten, die griechischen Bezirke. Seit Jahrhunderten schon hatten die Griechen und Juden, die an der Küste, in Samaria, am Rand von Galiläa in den gleichen Städten wohnten, einander gehaßt und verachtet. Die Juden waren stolz auf ihren unsichtbaren Gott Jahve, sie waren überzeugt, nur für sie werde der Messias kommen, sie gingen hochfahrend einher im Gefühl ihrer Auserwähltheit. Die Griechen machten sich lustig über die fixen Ideen, den stinkenden Aberglauben, die lächerlichen, barbarischen Gebräuche der Juden, und jeder tat dem Nachbarn das Böseste an. Immer schon hatte es zwischen ihnen blutige Händel gegeben. Jetzt wütete weit über die Grenzen Judäas hinaus Plünderung, Mord und Brand, und das Land füllte sich mit unbegrabenen Leichen.
      Als es soweit war, beschloß der Vorgesetzte des Gessius Flor, Cestius Gall, Generalgouverneur von Syrien, in Judäa endlich durchzugreifen. Er war ein alter, skeptischer Herr, überzeugt, was man nicht getan habe, bereue man seltener und weniger bitter als das Getane. Nachdem indes die Dinge einmal so übel ausgereift waren, durfte man keine falsche Schwäche zeigen: Jerusalem mußte energisch gezüchtigt werden.
      Cestius Gall mobilisierte die ganze Zwölfte Legion, dazu acht weitere Regimenter syrischer Infanterie. Forderte auch von den Vasallenstaaten ansehnliche Kontingente. Der jüdische Titularkönig Agrippa, beflissen, Rom seine Bundestreue zu beweisen, bot allein zweitausend Mann Kavallerie auf, dazu drei Regimenter Schützen, und stellte sich persönlich an ihre Spitze. Umständlich, bis ins kleinste Detail, legte Cestius Gall das Programm der Strafexpedition fest. Vergaß auch nicht, die feuertelegrafischen Siegesmeldungen vorzubereiten. Rom sollte, sowie er als Richter und Rächer in Jerusalem einziehen wird, es am gleichen Tage erfahren.
      Gewaltig, von Norden her, brach er in das meuterische Land. Nahm programmgemäß die schöne Siedlung Zabulon-Männerstadt, plünderte sie, brannte sie nieder. Nahm programmgemäß die Küstenstadt Joppe, plünderte sie, brannte sie nieder. Geplünderte, niedergebrannte Städte, gemetzelte Menschen zeichneten seinen Weg, bis er programmgemäß am
    27. September vor Jerusalem stand.
      Aber hier stockte er. Am 9. Oktober, hatte er errechnet, werde er im Besitz des Forts Antonia, am 10. im Besitz des Tempels sein. Jetzt war schon der 14., und das Fort Antonia hielt sich immer noch. Die »Rächer Israels« hatten nicht gezögert, die zahllosen Wallfahrer, die aus Anlaß des Laubhüttenfestes gekommen waren, zu bewaffnen, die Stadt floß über von freiwilligen Truppen. Der 27. Oktober kam, Cestius Gall stand nun schon einen ganzen Monat vor Jerusalem, und immer noch warteten an den sorglich vorbereiteten Feuerposten die Telegrafisten vergeblich, schon fürchtend, der Apparat klappe nicht und sie würden bestraft. Cestius beorderte neue Verstärkungen heran, ließ mit großen Opfern alle Stoßmaschinen an den Mauern in Stellung bringen, bereitete für den 2. November einen endgültigen Sturmangriff mit solchen Mitteln vor, daß er menschlicher Voraussicht nach nicht mißglücken konnte.
      Die Juden hielten sich tapfer. Allein was vermochte individuelle Tapferkeit gegen die überlegene

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