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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Schauende, »aber ich glaube, er hat eine Rüstung.« – »Wie spricht er?« fragte Josef. »Er bewegt den Mund«, erwiderte der Sandalenmacher Akawja, »aber ich kann ihn nicht hören. Ich glaube, er lacht«, fügte er wichtig hinzu. »Wie kann er lachen, wenn er der Messias ist?« fragte unzufrieden der Tischler Chalafta. Der Schauende erwiderte: »Er lacht und ist dennoch furchtbar.«
      Dann wischte er sich über die Augen, erklärte, jetzt sehe er nichts mehr. Er fühlte sich müde und hungrig, gab sich mürrisch, trank viel Wein, verlangte auch von dem milchgekochten Geflügel. Der Wirt gab Josef Auskunft über den Sandalenmacher Akawja. Der war sehr arm, aber er machte trotzdem jedes Jahr seine Wallfahrt nach Jerusalem und brachte sein Lamm zum Tempel. Die inneren Höfe durfte er nicht betreten, weil er ein Krüppel war. Aber er hing sehr an dem Tempel, mit ganzem Herzen und ganzem Vermögen, und wußte auch genauer Bescheid um die inneren Höfe als manche, die darin waren. Vielleicht war es gerade, weil er den Tempel nicht sehen durfte, daß Jahve ihn anderes sehen ließ.
      Die Männer blieben noch lange zusammen, aber sie sprachen nicht mehr von dem Erlöser. Vielmehr sprachen sie davon, wie sehr die Makkabi-Leute an Zahl gewachsen waren, und von ihrer Organisation und Bewaffnung. Der Tag des Losschlagens werde bald da sein. Der Sandalenmacher Akawja, wieder munter geworden, zog den unbeschnittenen Wirt auf, daß er, wenn dieser Tag gekommen sei, bei dem großen Aufwasch auch werde dran glauben müssen. Dann wandten sie sich wieder dem Herrn aus Jerusalem zu und hänselten ihn auf ihre täppische, doch nicht unfreundliche Art. Josef ließ es sich gefallen und lachte mit. Schließlich verlangten sie, er solle ihr Gast sein und von dem milchgekochten Geflügel essen. Vor allem der Sandalenmacher Akawja, der Schauende, bestand darauf. Eigensinnig, hartnäckig plärrte er: »Essen, Mann, Sie sollen essen.« Josef hatte sich in Rom um die Beachtung der Bräuche nicht viel gekümmert, in Jerusalem hatte er Gebote und Verbote streng geachtet. Hier war Galiläa. Er bedachte sich eine Weile. Dann aß er.
    Josef hat sich zum Hauptquartier Magdala gewählt, einen angenehmen, großen Ort am See Genezareth. Wenn er ein wenig auf dem See herumfährt, dann sieht er im Süden weiß und prunkvoll eine Stadt liegen, die schönste Stadt des Landes, aber sie gehört nicht zu seinem Bereich, sie untersteht dem König Agrippa. Sie heißt Tiberias. Und in ihr sitzt, von dem König als Gouverneur eingesetzt, Justus. Die Stadt ist nicht leicht zu regieren, mehr als ein Drittel ihrer Einwohner sind Griechen und Römer, vom König verwöhnt, aber der Doktor Justus, das läßt sich nicht bestreiten, hält gute Ordnung. Er hat, als Josef nach Galiläa kam, seinen Antrittsbesuch höflich erwidert. Aber von Politik hat er kein Wort gesprochen. Er nimmt den Jerusalemer Bevollmächtigten offensichtlich nicht für voll. Den Josef kratzt das im Innersten. Eine bittere Sehnsucht erfüllt ihn, es dem andern zu zeigen.
      Auf der Höhe über Tiberias schimmert breit und stattlich das Palais des Königs Agrippa, in dem Justus residiert. An den Kais gibt es stattliche Villen und Geschäftshäuser. Aber es gibt auch viele Arme in Tiberias, Fischer und Schiffer, Lastträger, Industriearbeiter. In Tiberias sind die Griechen und Römer die Reichen und die Juden die Proletarier. Die Arbeit ist viel, die Steuern sind hoch, in der Stadt spürt der Arme noch bitterer als auf dem Land, was alles er entbehrt. Es gibt viele Mißvergnügte in Tiberias. In allen Kneipen hört man aufsässige Reden gegen die Römer und gegen den König Agrippa, der sich von ihnen aushalten läßt. Wortführer dieser Unzufriedenen ist jener Sapita, der Sekretär der Fischereigenossenschaft. Er beruft sich auf Jesaja: »Wehe über diejenigen, welche Haus an Haus reihen und Acker zu Acker schlagen.« Justus versucht mit allen Mitteln die Bewegung niederzuhalten, aber seine Macht endet an den Grenzen des Stadtgebiets von Tiberias, und er kann nicht verhindern, daß der Wehrverband des Sapita sich im übrigen Galiläa Stützpunkte schafft und daß ihm aus diesen Bezirken immer mehr Leute zulaufen.
      Josef sieht nicht ungern, wie der Anhang des Sapita stärker wird und wie seine Banden sich auch im Hoheitsbereich der Jerusalemer Regierung überall ausbreiten. Leute des Sapita verlangen von Gemeinden, die dem Josef unterstehen, Beiträge für die nationale Sache,

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