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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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noch etwas Geflügelbraten mit Milch übriggeblieben. Fleisch mit Milch zu essen ist streng verboten; aber die Landbevölkerung Galiläas findet, Geflügel sei kein Fleisch, und läßt sich nicht von der Sitte abbringen, es in Milch zu kochen und zu braten. Man macht gutmütige Witze, wie Josef den Leckerbissen höflich ablehnt. Man fragt ihn, wer er sei, bei wem er nächtige, man findet aus seinem Dialekt den Jerusalemer heraus. Josef gibt freundlich, aber etwas unklar Auskunft; er weiß nicht, ob man ihn erkennt.
      Der Wirt setzt sich zu ihm, erzählt ihm redselig. Er heißt Theophil, aber er nennt sich jetzt Giora, der Fremde, weil er nämlich ein Sympathisierender ist und die Absicht hat, zum Judentum überzutreten. In Galiläa ist die Bevölkerung stark mit Nichtjuden gemischt, es gibt viele Sympathisierende, die sich von dem unsichtbaren Gott Jahve angezogen fühlen. Auch diesem Theophil-Giora haben die Doktoren vorschriftsmäßig abgeraten, zum Judentum überzutreten; denn solange er Nichtjude sei, gehe er nicht des Heils verlustig, auch wenn er die sechshundertdreizehn Gebote nicht halte. Habe er aber einmal die Verpflichtung auf sich genommen, dann sei seine Seele bedroht, wenn er das Gesetz nicht erfülle, und das Gesetz sei schwierig und streng. Theophil-Giora war noch nicht beschnitten, die Worte der Doktoren hatten Eindruck auf ihn gemacht; aber gerade ihre Strenge zog ihn an.
      Die andern, breit, langsam, etwas täppisch, angeregt durch die Anwesenheit des Jerusalemer Herrn, fangen wieder einmal an, von ihrer Hauptsorge zu reden, von dem harten Druck der Regierung. Der Tischler Chalafta hat seinen letzten Weinberg verkaufen müssen. Er hat Ziegen eingeführt von jenseits des Jordan; die Römer haben hohen Zoll darauf gelegt, er hat die Ziegen durchschmuggeln wollen, aber er wurde ertappt. Wie man’s macht, macht man’s falsch mit den Zöllnern. Weh dem, der die Ware angibt, weh dem, der sie nicht angibt. Jetzt haben sie ihn mit dem Zehnfachen bestraft, weil es das zweitemal war, und er mußte den Weinberg verkaufen. Dem Tuchwirker Asarja hat der Marktaufseher von Magdala seinen dritten Webstuhl pfänden lassen, weil er mit der Gewerbeabgabe im Rückstand ist. Alle die Männer in diesem reichen Land sahen abgerissen aus, sie lebten kümmerlich. Es gab viel Geflügel in Galiläa, die Ziegenmilch war billig; aber sie schnalzten gierig, als der Wirt Giora von seinem milchgekochten Geflügelbraten erzählte. Sie bekamen dergleichen nur an hohen Feiertagen. Man rackerte sich ab, nicht für den eigenen Bauch, nur für den Wanst von Cäsarea und Jerusalem. Es waren harte Zeiten.
      War die Zeit erfüllt? Schon der Agitator Juda hatte es verkündet hier in Galiläa und hatte die Partei der »Rächer Israels« gegründet, aber er war von den Römern gekreuzigt worden. Jetzt wanderte sein Sohn Nachum durch das Land und verkündete es. Auch der Prophet Theuda war aufgestanden in Galiläa, hatte Wunder getan, war dann vor Jerusalem gezogen und hatte erklärt, er werde die Fluten des Jordan spalten. Aber die Römer haben ihn gekreuzigt, und die Herren vom Großen Rat haben zugestimmt.
      Der Ölbauer Teradjon meinte, vielleicht sei dieser Prophet Theuda wirklich ein Schwindler gewesen. Der Tischler Chalafta wiegte schwer und bekümmert den Kopf: »Schwindler? Schwindler? Vielleicht hätte sich der Jordan wirklich nicht geteilt auf das Geheiß des Mannes. Aber auch dann nicht war er ein Schwindler. Dann war er ein Vorläufer. Denn wann soll die Zeit erfüllt sein, wenn nicht jetzt, da Gog und Magog sich von neuem aufmachen, über Israel herzufallen, wie es geschrieben steht bei Ezechiel und im Targum Jonathan?«
      Der Tuchwirker Asarja meinte schlau: jener Theuda könne bestimmt nicht der rechte Messias gewesen sein; denn wie er zuverlässig gehört habe, sei Theuda ein Ägypter gewesen, und unmöglich doch könne ein Ägypter der Messias sein.
      Der Wein war gut, und es war viel Wein. Die Männer vergaßen den Herrn aus Jerusalem, und umwölkt von dem stinkenden Rauch des Mistes im Heizbecken, redeten sie langsam, eifrig und gewichtig von dem Messias, der kommen mußte, heute oder morgen, aber bestimmt noch in diesem Jahr. Gewiß konnte der Messias ein Ägypter sein, behauptete dumpf und hartnäckig der Tischler Chalafta. Denn steht nicht geschrieben von dem eisernen Besen, der das Faule aus Israel und der Welt auskehrt? Und ist nicht der Erlöser dieser eiserne Besen? Wenn er es aber ist, wird

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