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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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erklang durch die Straßen Roms das Hetzwort vom Juden Apella. Schon drang man in ihn, er solle endlich auch öffentlich diese Rolle spielen. Im Fall einer Weigerung wird man ihn ebenso leidenschaftlich beschimpfen, wie man ihn bisher akklamierte.
      Die große Masse der römischen Juden war erschüttert, verstört, verzweifelt. Sie lasen in den Büchern der Propheten: »Ich höre ein Geschrei von einer, die gebiert, ein Gezeter von einer, die in Wehen liegt. Es ist die Tochter Zion, sie schreit und klagt und windet die Hände: Wehe mir, ich muß vergehen vor den Würgern.« Sie lasen, und ihr Herz war voll Angst. Die Häuser schlossen sich, Fasten wurde angesetzt, in allen Synagogen beteten sie. Niemand von den Römern störte den Dienst.
      Einige wenige gab es unter den Juden Roms, die sahen in der Erhebung Judäas das Heil, die Erfüllung der alten Weissagungen vom Erlöser. Zu ihnen gehörte das Mädchen Irene, die Frau des Doktor Licin. Sie hörte stumm mit an, wenn ihr Mann seinen Abscheu äußerte vor diesen verrückten Verbrechern, aber im Innern jubelte sie. Sie hatte sich nicht an ein unwürdiges Gefühl weggeworfen, sie hatte immer gewußt: Josef war ein Großer in Israel, einer aus der Schar der Propheten, ein Soldat Jahves.

    Den Kaiser erreichte der Kurier mit der unheilverkündenden Feder an der Lanze in der Hauptstadt der Provinz Griechenland, in dem heitern, jetzt von Festen hallenden Korinth.
      Der junge Weltherrscher hatte sich nie in seinem Leben so glücklich gefühlt. Griechenland, dies kultivierteste Land der Welt, jubelte ihm zu, ehrlich begeistert von seiner Kunst, seiner Liebenswürdigkeit, seiner Leutseligkeit. Und zu wissen, daß diese ganze griechische Reise nur die Einleitung eines viel größeren Unternehmens ist. Jetzt wird er die andere Hälfte der Welt, die edlere, weisere, seiner Hälfte zufügen. Das Werk des größten Mannes vollenden, der je gelebt hat. Beide Hälften der Welt reich machen und glücklich im Zeichen seines kaiserlichen Namens.
      Heute hat er die griechische Reise mit einem großen Unternehmen gekrönt. Hat mit goldenem Spaten den ersten Stich getan, den Isthmus von Korinth zu durchstechen. Morgen wird er die Erbauung dieses Kanals durch ein Festspiel feiern. Er selber hat die Schlußverse geschrieben, in denen der Gott mächtig herschreitet und dem Adler befiehlt, die Flügel zu breiten zu dem großen Flug.
      An diesem Tag, unmittelbar nachdem der Kaiser von der Grundlegung des Kanals in das Palais von Korinth zurückgekehrt war, traf der Kurier ein mit den judäischen Nachrichten. Der Kaiser überlas den Bericht, warf das Schriftstück auf den Tisch, so daß es das Manuskript des Festspiels halb überdeckte. Sein Blick fiel auf die Verse: »Der den Ozean kreisen läßt / Und die Sonne wendet nach seinem Willen.«
      Er stand auf, die Unterlippe vorgeschoben. Es ist der Neid der Götter. Sie gönnen ihm nicht den Alexanderzug. »Der den Ozean kreisen läßt / Und die Sonne wendet nach seinem Willen.« Die ganzen Schlußverse haben nur Sinn als Prolog zum Alexanderzug. Jetzt haben sie keinen Sinn.
      Gessius Flor, der Gouverneur von Judäa, hat sich’s leicht gemacht. Er ist gefallen. Den Cestius Gall wird er natürlich in Ungnaden abberufen. Für dieses freche Judäa taugt kein solcher Schlappschwanz.
      Der Kaiser überlegt. Wen schickt er nach Judäa? Jerusalem ist die stärkste Festung des gesamten Orients, das Volk dort, er weiß es von Poppäa, ist fanatisch, starrsinnig. Der Krieg muß scharf geführt werden. Er darf nicht lange dauern. Länger als um ein Jahr läßt er sich den Alexanderzug unter keinen Umständen hinausschieben. Er braucht für Judäa einen Mann, hart und klar. Und ohne Phantasie. Der Mann muß so sein, daß er die ihm anvertraute Macht nur gegen Jerusalem kehrt, nicht am Ende gegen den Kaiser.
      Wo findet er einen solchen Mann? Man nennt ihm Namen. Sehr wenige. Prüft man sie schärfer, werden es noch weniger. Zuletzt bleibt ein einziger: Mucian. Der Kaiser zwickt mißmutig die Augen zusammen. Auch der Senator Mucian ist nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Der Kaiser erinnert sich gut. Ein kleiner Herr, ausgemergelt von vielen Vergnügungen, scharffaltiges Gesicht, sehr gepflegt. Da er leicht hinkt, trägt er einen Stock; gewöhnlich aber hält er ihn mit der einen Hand hinterm Rücken, was dem Kaiser auf die Nerven geht. Auch sein ständiges Gesichtszucken kann der Kaiser nicht vertragen. Gewiß, Mucian hat einen

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