Der jüdische Krieg.
sehr viel kostbare Zeit wird wenden müssen.
Die Mehrzahl der Minister waren Nichtrömer, leidenschaftliche Griechen; ihr Herz hing daran, daß ihr Griechenland, ihr Orient zur Basis des Reichs werde. Sie schäumten vor Wut, diese Räte und Feldherren des Neuen Alexander, daß jetzt ihr herrlicher Feldzug durch diese Läpperei übel verzögert oder gar für immer vereitelt werden sollte.
Äußerlich aber blieben sie still und feierlich. Manche von ihnen, die meisten, waren Söhne und Enkel von Leibeigenen, gerade deshalb zeigten sie, nun sie an der Macht waren, die eisige Würde altrömischer Senatoren.
Claudius Hel erläutert die Unglücksnachricht aus Judäa, ihre Bedeutung für die großen Orientprojekte. Claudius Hel selber ist als Leibeigener geboren. Er ist fehllos gewachsen, finster und herrlich anzuschauen, das Gesicht ebenmäßig, voll Energie. Er trägt den Siegelring des Kaisers. Jeder andere in seiner Lage hätte den Kaiser nach Griechenland begleitet, es ist gefährlich, ihn so lange fremden Einflüssen preiszugeben. Claudius Hel hat es vorgezogen, in Rom zu bleiben. Fast sicher wird irgendeine Maßregel, die er trifft, dem Kaiser mißfallen. Wahrscheinlich wird Claudius Hel jung sterben, Goldplättchen einatmend oder mit geöffneten Adern. Aber das ist kein zu teurer Preis, wenn man die Welt beherrschte.
Er spricht ruhig, knapp, ohne Beschönigung. Man hat den Aufruhr viel zu leicht genommen, jetzt müsse man ihn um so schwerer nehmen. »Alle haben wir uns geirrt«, gibt er unumwunden zu. »Mit einer einzigen Ausnahme. Ich bitte diesen Mann, der sich nicht geirrt hat, um seine Meinung.«
Die Herren, wiewohl sie den dürren, geiernäsigen Philipp Talaß nicht leiden mochten, schauten mit Achtung auf den Chef der Orientabteilung. Er hatte von Anfang an gewarnt, man solle sich nicht einlullen lassen von dem listigen, fadsüßen Versöhnlichkeitsgerede Jerusalems. Er war ein wenig lächerlich gewesen mit seiner ewigen Angst vor den Juden, seinem grei senhaften Haß. Jetzt erwies es sich, das Aug des Hasses hatte besser gesehen als der tolerante Skeptizismus der andern.
Der Minister Philipp Talaß zeigte nichts von seiner Genugtuung. Klein, krumm, unscheinbar saß er wie immer. Aber innerlich war er geschwellt von einem großen Glück; ihm war, als sei sogar die Narbe aus seiner Leibeigenenzeit nicht mehr so sichtbar. Jetzt, nach dieser von freundlichen Göttern beschiedenen Plünderung des Palastes von Tiberias, nach diesem neuen, maßlos dreisten Bruch aller Versprechungen, war die Zeit reif für die große Abrechnung. Man konnte es nicht mehr bewenden lassen bei einem gelinden Strafgericht, Hinrichtung von einigen tausend Meuterern, ein paar Millionen Buße oder so. Das mußten jetzt auch die andern einsehen. Der Minister Philipp Talaß sagte: »Jerusalem muß zerstört werden.«
Er erhob nicht die Stimme, sie zitterte ihm auch nicht. Aber dies war die größte Minute seines Lebens, und wann immer er in die Grube muß, jetzt kann er zufrieden sterben. In seinem Innern jubilierte es: Nablion, und trotz dem Dolmetsch Zachäus: Nablion. Er träumte davon, wie die Regimenter herfallen werden über das freche Jerusalem, wie sie die Einwohner an ihren Bärten zerren und totschlagen, wie sie die Häuser verbrennen, die Mauern schleifen, den eitel sich spreizenden Tempel dem Erdboden gleichmachen. Aber nichts von alledem war in seiner Stimme, als er selbstverständlich, fast ein wenig mürrisch, konstatierte: »Jerusalem muß zerstört werden.«
Ein Schweigen war, und durch das Schweigen ein Seufzer. Claudius Hel wandte sein schönes, dunkles Gesicht dem Regin zu und fragte, ob der Direktor der kaiserlichen Perlfischereien etwas zu bemerken habe. Claudius Regin hatte nichts zu bemerken. Diese Galiläer hatten sich zu dumm aufgeführt. Jetzt blieb wirklich nichts mehr übrig, als die Armee einzusetzen.
Claudius Hel faßte zusammen. Er werde also, das Einver- ständnis der Herren vorausgesetzt, den Kaiser ersuchen, möglichst rasch den Feldzug gegen Judäa zu eröffnen. Bisher hat man die Kuriere nach Griechenland stets mit dem glückkündenden Lorbeerkranz an der Lanze ausstatten können; diesmal, um der Majestät darzutun, wie ernst man in
Rom die Lage nehme, wird er dem Kurier die unheilkündende Feder an der Lanze mitgeben.
Der Senat, auf Betreiben des Claudius Hel, ließ den JanusTempel eröffnen zum Zeichen, daß Krieg sei im Reich. Der amtierende Senator
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