Der jüdische Krieg.
Marull sprach dem Claudius Hel nicht ohne Ironie sein Bedauern aus, daß er die Zeremonie nicht aus einem glänzenderen Anlaß vornehmen könne. Ein Jahr hatte die Welt Frieden gehabt. Die Stadt Rom war überrascht, als jetzt die schweren Türflügel des Janus-Tempels auseinanderknarrten und das Bild des zweigesichtigen Gottes erschien, des Zweifelgottes, man kennt den Anfang, aber niemand kennt das Ende. Viele überschauerte Unbehagen, als sie erfuhren, daß nun der sehr gute, sehr große Jupiter ihres Capitols Krieg begonnen habe gegen den unheimlichen, gestaltlosen Gott im Osten.
In den Vierteln der Kleinbürger gönnte man es den Juden, daß der Kaiser endlich einmal forsch gegen sie vorging. Überall nisteten sie sich ein, schon war das ganze Geschäftsviertel von ihnen durchsetzt, man freute sich, dem Haß gegen die Konkurrenz patriotisch Luft zu machen. In den Kneipen erzählte man sich die alten, verbürgten Geschichten, die Juden verehrten einen Eselskopf in ihrem Allerheiligsten, an ihrem Passahfest opferten sie diesem heiligen Esel griechische Kinder. Man bekritzelte die Synagogen mit unflätigen, drohenden Inschriften. Im Florabad verprügelte man die Beschnittenen, warf sie hinaus. In einer Garküche der Straße Subura verlangte man von einigen Juden, sie sollten Schweinefleisch essen, riß den Widerstrebenden den Mund auf, stopfte ihnen den greulichen, verbotenen Fraß hinein. In der Nähe des Drei-Straßen-Tors stürmte man ein Lager koscherer Fischsaucen, zerbrach die Flaschen, beschmierte den Juden Haar und Bart mit ihrem Inhalt. Übrigens machte die Polizei dem Unfug bald ein Ende.
Die Herren des Senats, der Diplomatie, der Hochfinanz hatten es wichtig. Zahllose neue Stellen mußten geschaffen und besetzt werden, der Geruch von Beute war in der Luft. Die alten, ausgedienten Generäle belebten sich. Schlichen umeinander herum, belauerten sich, Glanz in den Augen. Das Forum hallte von angeregtem Gelächter, in den Kolonnaden der Livia, des Marsfelds, in den Bädern war Betrieb. Jeder hatte seine Kandidaten, seine Sonderinteressen; selbst die Äbtissin der Vestalinnen ließ sich täglich auf den Palatin tragen, um bei den Ministern ihre Wünsche anzubringen.
Der Preis des Goldes, der kostbaren Gewebe, der Preis der Leibeigenen auf den Börsen von Delos und Rom fiel, denn man wird in Judäa dergleichen in Masse erbeuten. Der Preis des Getreides zog an, die operierenden Truppen werden viel Nachschub an Proviant benötigen. In den Reedereien war Geschäft, fieberhaft arbeitete man auf den Werften von Ravenna, Puteoli, Ostia. In den Häusern der Herren Claudius Regin und Junius Thrax, im Palais des Senators Marull jagten sich die Kuriere. Diese Herren sahen den Krieg in Judäa mit aufrichtiger Betrübnis. Aber da nun einmal Geschäfte zu machen waren, warum sollten andere den Profit einstreichen?
Unter den Juden herrschte Verwirrung und Trauer. Man hatte genaue Nachrichten aus Jerusalem, wußte um die Rolle Josefs. War es denkbar, daß dieser Mann, der mit ihnen gelebt hatte, der sich angezogen hatte wie sie, gesprochen wie sie, der wußte, was Rom ist, war es denkbar, daß dieser Doktor Josef Ben Matthias sich an die Spitze eines so aussichtslosen Abenteuers sollte gestellt haben? Claudius Regin ärgerte sich am bittersten über die Herren vom Großen Rat. Wie konnten sie diesen kleinen Essayisten nach Galiläa schicken? Solche Leute läßt man sich in der Literatur austoben, aber nicht in der großen Politik. Mehrere prominente Juden in Rom beeilten sich, der Regierung ihren Abscheu über die Haltung dieser fanatischen Verbrecher in Galiläa auszudrücken. Die Regierung gab den sich abzappelnden Herren beruhigende Versicherungen. Die fünf Millionen Juden außerhalb Judäas, die zerstreut über das Reich wohnten, waren loyale Untertanen, zahlten ihre fetten Steuern. Die Regierung dachte gar nicht daran, sie zu behelligen.
Schwer trafen die Berichte aus Galiläa den Schauspieler Demetrius Liban. Er war betrübt und gehoben zugleich. Er lud ein paar vertraute jüdische Freunde ein und rezitierte hinter sorgfältig versperrten Türen mehrere Kapitel aus dem Makkabäerbuch. Er hatte immer gewußt, welch großes, inneres Feuer in dem jungen Doktor Josef brannte. Aber niemand auch wußte besser als er, wie töricht und aussichtslos ein Kampf gegen Rom war. Übrigens war vorläufig in Rom er der einzige, der ernstlich unter den Unruhen in Judäa zu leiden hatte. Denn von neuem jetzt
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