Der jüdische Krieg.
hellen, scharfen Verstand, er wird mit der aufrührerischen Provinz rasch fertig werden. Aber der hemmungslos ehrgeizige Mann, schon einmal gestürzt und wieder hochgekommen, jetzt an der Schwelle des Alters, kann sich, gibt man ihm Macht, leicht verführen lassen, gefährliche Experimente anzustellen.
Der Kaiser seufzt unbehaglich, setzt sich wieder vor das Manuskript des Festspiels. Streicht mißmutig darin herum. Der die Sonne wendet. Gerade die besten Verse müssen fallen. Er kann es jetzt nicht mehr darauf ankommen lassen, den Schluß einem Schauspieler anzuvertrauen, er muß selber den Gott spielen. Nein, er darf diesem Mucian nicht zuviel Macht geben, man soll niemand versuchen. Es ist spät in der Nacht geworden. Er findet die Konzentration nicht, um die Bruchstellen zurechtzulöten, die durch die Streichungen in den Schlußversen des Gottes entstanden sind. Er schiebt das Manuskript zur Seite. Im Schlafrock schlurft er hinüber ins Zimmer seiner Freundin Calvia. Verdrießlich, das gedunsene Gesicht schweißüberdeckt, leicht seufzend, hockt er an ihrem Bett. Wägt nochmals das Für und Wider. Das und jenes spricht für Mucian. Also schick ihn, sagt Calvia. Das und jenes spricht gegen Mucian. Also schick ihn nicht. Vielleicht findet man doch noch einen andern. Der Kaiser will nicht länger darüber nachdenken. Er hat die Argumente zur Genüge gewälzt; jetzt bleibt es Sache der Erleuchtung, des Glückes, seines Glückes. Er wird sich jetzt nur mehr mit dem Festspiel beschäftigen. Morgen, nach dem Festspiel, wird er sich entscheiden.
In Rom warten sie gespannt auf die Entscheidung.
Sie fiel schon, bevor das Festspiel zu Ende war. In seiner Garderobe, während der Kaiser in der schweren Maske und in den hohen Schuhen des Gottes dasaß und auf seinen Auftritt wartete, kam ihm die Erleuchtung. Ja, er wird den Mucian ernennen: aber er wird ihn nicht allein ernennen, er wird ihm einen zweiten Mann beigeben, damit der ihn kontrolliere. Er weiß auch schon, wen. Da treibt sich die ganze Zeit ein alter General in seiner Umgebung herum, der immer nur an die höchsten Ämter hingerochen hat, um dann, kaum oben, sogleich wieder herunterzupurzeln; es hängt wegen seines ständigen Pechs schon ein leiser Geruch von Komik um ihn. Vespasian heißt er. Er sieht mehr einem Geschäftsmann vom Lande gleich als einem General; aber er hat sich im englischen Feldzug bewährt und gilt als ausgezeichneter Militär.
Der Bursche hat dem Kaiser allerdings Ärgernis gegeben. Immer schon hat er nur mühsam versteckt, wie schwer ihm bei den Rezitationen des Kaisers das Zuhören fiel, und unlängst, vor drei Tagen, ist er einfach eingeschlafen; ja, während der Kaiser die schönen Verse der Danae von den windgeschaukelten Blättern sprach, hat er unmißverständlich geschnarcht. Der Kaiser hat erst daran gedacht, ihn zu bestrafen, aber eigentlich hat er mehr Mitleid mit dem Wicht, dem die Götter die Organe für das Höhere versagt haben. Er hat bis jetzt nichts gegen ihn unternommen. Nur nicht mehr vorgelassen hat man den Burschen. Heute und gestern hat der Kaiser ihn an seinem Weg stehen sehen, fern, bedrückt und beflissen. Ja, das ist sein Mann. Der wird schwerlich auf allzu dreiste Gedanken kommen. Den schickt er nach Judäa. Erstens hat er dann die Fratze des Kerls auf lange Zeit aus den Augen, und zweitens ist dieser pfiffig vierschrötige Mensch gerade der richtige, um dem eleganten Mucian scharf auf die Finger zu sehen. Er wird die Vollmachten teilen, den Mucian zum Generalgouverneur von Syrien, den Vespasian zum Feldmarschall in Judäa ernennen. Der eine wird keine militärischen, der andere keine politischen Befugnisse haben, und sie werden jeder der Spion des andern sein.
Der Kaiser, trotz der schweren, heißen Maske des Gottes, lächelt. Wirklich, das ist eine ausgezeichnete Lösung, das ist die Erleuchtung. Er tritt auf die Bühne, er spricht die hallenden Verse des Gottes. Die Rolle ist kurz geworden: aber noch
nie, scheint ihm, hat er so vollendet gesprochen wie heute. Er hat seinen Beifall verdient.
Der General T. Fl. Vespasian kam von dem Festspiel zurück in das Vorstadthäuschen, das er dem Kaufmann Laches für die Dauer seines Aufenthalts in Korinth abgemietet hatte. Er legte den Mantel ab und die Galatracht, fluchte, weil der Diener das sorgsam geschonte Kleid nicht vorsichtig genug zusammenfaltete, zog einen saubern, etwas abgetragenen Hausanzug an, darunter dicke Unterwäsche; denn
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