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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Josef nahm Hohn und Demütigung mit schmiegsamer Bescheidenheit hin und machte sich auf jede Art nützlich. Er stilisierte die Erlasse des Feldherrn an die jüdische Bevölkerung, fungierte als Sachverständiger bei Streitigkeiten zwischen der Besatzungsbehörde und den jüdischen Autoritäten, bald wurde seine Tätigkeit unentbehrlich.
      Den Juden Galiläas galt Josef, trotzdem er sich nach Kräften um sie mühte, als feiger Überläufer. In Jerusalem gar mußten sie ihn auf den Tod hassen. Es drangen zwar nur vage Nachrichten aus der Hauptstadt in das von den Römern besetzte Gebiet; aber so viel war gewiß: die Makkabi-Leute waren dort die unumschränkten Herren geworden, sie hatten eine Schreckensherrschaft aufgerichtet und bewirkt, daß der Große Bann über Josef verhängt wurde. Unter Posaunenstößen war verkündet worden: »Verflucht, zerschmettert, gebannt sei Josef Ben Matthias, früher Priester der Ersten Reihe aus Jerusalem. Niemand pflege Umgang mit ihm. Niemand rette ihn aus Feuer, Einsturz, Wasser, aus irgend etwas, was ihn vernichten kann. Jeder weise seine Hilfe zurück. Seine Bücher seien als die eines falschen Propheten geächtet, seine Kinder als Bastarde. An ihn denke jeder, wenn die zwölfte, die Fluchbitte, aus den Achtzehn Bitten gesprochen wird, und wenn er des Weges kommt, dann halte jeder sieben Schritte Abstand von ihm wie vor einem Aussätzigen.«
      Auf besonders eindrucksvolle Art bezeigte die Gemeinde Meron in Obergaliläa ihren Abscheu vor Josef, trotzdem sie in dem von den Römern besetzten Gebiet lag und solches Tun nicht ungefährlich war. Hier in Meron hatte einmal einer gerufen: »Dieser ist es«, und die Leute von Meron hatten die Hufspuren des Pferdes Pfeil mit Kupfer ausgießen lassen und die Stätte heiliggehalten. Jetzt legten sie ihre Hauptstraße über einen Umweg, weil sie sie einmal zur Begrüßung Josefs mit Blumen und Laub bestreut hatten. In feierlicher Zeremonie säten sie Gras aus über das, was einmal ihre Hauptstraße gewesen war, auf daß Gras wachse über den Weg, den der Verräter getreten hatte, und sein Andenken vergessen werde.
      Josef kniff die Lippen zusammen, machte die Augen eng. Die Kränkung steifte nur sein Selbstgefühl. Im Gefolge des Vespasian kam er nach Tiberias. Hier hatte er die entscheidende Tat seines Lebens getan, durch diese Straßen war er groß und glühend hingezogen, auf seinem Pferde Pfeil, der Held, der Führer seines Landes. Er machte sich hart. Er trug seine Ketten mit Stolz durch die Straßen von Tiberias, achtete nicht der Menschen, die vor ihm ausspuckten, ihm voll Haß und Ekel in weitem Bogen auswichen. Er schämte sich nicht des Schicksals, das ihn aus dem Diktator Galiläas zum verächtlich gehätschelten Leibeigenen der Römer gemacht hatte.
      Vor einem aber hielt sein künstlicher Stolz nicht stand, vor Justus und seiner blicklosen Verachtung. Justus brach mitten im Satz ab, wenn Josef ins Zimmer trat, kehrte peinlich das gelbbraune Gesicht weg. Josef wollte sich rechtfertigen. Dieser Mann wußte soviel um das menschliche Herz, er mußte ihn verstehen. Doch Justus ließ es nicht zu, daß Josef das Wort an ihn richtete.
      König Agrippa hatte sich daran gemacht, seinen zerstörten Palast neu aufzurichten. Josef erfuhr, daß Justus fast den ganzen Tag in den weitläufigen Bauanlagen herumstrich. Immer wieder erstieg auch er den Hügel, auf dem der neue Palast errichtet wurde, suchte eine Gelegenheit, den Justus zu stellen. Endlich einmal fand er ihn allein. Es war ein klarer Tag frühen Winters. Justus hockte auf dem Vorsprung einer Mauer, er schaute hoch, als Josef zu sprechen anfing. Aber gleich zog er den Mantel über den Kopf, als ob ihn friere, und Josef wußte nicht, ob er ihn hörte. Er redete ihm zu, bat, beschwor, suchte sich ihm klarzumachen. Ist nicht ein kraftvoller Irrtum besser als eine schwächliche Wahrheit? Muß man nicht durch die Gefühle der Makkabi-Leute durchgegangen sein, ehe man sie verwerfen darf?
      Allein Justus schwieg. Als Josef zu Ende war, erhob er sich, hastig, ein wenig ungeschickt. Wortlos an dem bittend Daste henden vorbei ging er, durch den starken Geruch von Mörtel und frischem Holz, ging fort. Gedemütigt, erbittert schaute Josef ihm nach, wie er ein wenig müde und mühsam über die großen Steine kletterte, den nächsten Weg aus dem Neubau hinaus.

    Es gab in der Stadt Tiberias viele, die den Justus nicht leiden mochten. Vernunft war in diesen Kriegsläuften weder bei

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