- Der Jünger des Teufels
Sie um einen Gefallen
bitten. Würden Sie mich in den Versunkenen Palast begleiten?«
Mit einem Blick, der ausdrückte, dass dies nicht zu unserer
Vereinbarung zählte, schaute sie auf die Treppe, die in die Tiefe führte. »Das
… hatte ich nicht vor.«
»Ich weiß, aber es würde mir sehr helfen«, gestand ich und zeigte
auf die Wachmänner. »Außerdem spreche ich kein Wort Türkisch. Ich brauche einen
Dolmetscher.«
Sie zögerte, und ihr war anzusehen, dass sie der Bitte nur
ungern nachkommen würde; dann aber willigte sie ein. »Gut, ich begleite Sie.«
Yeliz sprach mit dem älteren Wachmann, der uns jetzt
Einlass gewährte und zur Treppe führte. Ich fürchtete mich davor, erneut in
unterirdische Gewölbe einzudringen. Die Angst übermannte mich mit einer solchen
Wucht, dass meine Handflächen feucht wurden.
Yeliz blickte mich verwirrt an. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Doch, doch. Alles in Ordnung.«
Mit diesen Worten zwang ich mich, ihr und dem Wachmann zu
folgen, und stieg langsam die Treppe hinab.
Auf der anderen Straßenseite stand der Jünger
und beobachtete Kate Moran und Yeliz, als diese den Versunkenen Palast
betraten. Er trug eine Sonnenbrille und einen Motorradhelm und stieg gerade von
einer dunkelblauen Yamaha 500.
Er war Yeliz von ihrer Wohnung aus in sicherem Abstand
gefolgt, und sein Plan ging auf. Er hatte damit gerechnet, dass es nur eine
Frage der Zeit war, ehe Kate Moran von seinen Morden im Versunkenen Palast und
von seinem Anruf bei Yeliz erfuhr – und dass sie in Istanbul auftauchte.
Es gehörte zu seiner Strategie, Moran in diese Falle zu
locken. Er hatte die Leichen absichtlich in der Nähe eines Feuermelders in
Brand gesetzt, um sicherzustellen, dass die Polizei die Toten schnell fand. Und
jetzt hatte Moran, wie er gehofft hatte, den Köder geschluckt.
In seinem Innern brodelte Wut, als er das Motorrad
abschloss. Alles, was er brauchte, einschließlich der Schlachtermesser, steckte
in dem kleinen Rucksack auf seinem Rücken. Er würde ein paar Minuten warten,
ehe er die belebte Straße zum Versunkenen Palast überquerte. Wenn alles nach
Plan lief und das Glück auf seiner Seite war, würde er erneut töten.
77.
Als wir die Treppe hinunterstiegen, hallten
unsere Schritte von den alten Steinwänden des Treppenhauses wider. Der Wachmann
und Yeliz schwiegen, und ich fröstelte, als wir in die Tiefe stiegen. »Haben
Sie den Versunkenen Palast schon einmal besichtigt?«, fragte ich Yeliz. Ich musste reden, musste wissen, dass jemand in meiner Nähe war, um meine Angst zu
bekämpfen.
»Ja, als Kind«, erwiderte Yeliz nüchtern, ohne etwas
hinzuzufügen. Ich hatte das Gefühl, dass sie hier unter der Erde ebenso große
Angst hatte wie ich.
Je tiefer wir hinabstiegen, desto kälter wurde es. Als wir
den nächsten Treppenabsatz erreichten, bot sich mir der erstaunlichste Anblick
meines Lebens: Eine riesige unterirdische Halle, die in ihren Ausmaßen einer
gewaltigen Kathedrale glich. So weit das Auge reichte, erstreckte sich vor uns
ein langer Gang, den Hunderte dicker Steinsäulen säumten, die gut zehn Meter in
die Höhe ragten. Ich war beeindruckt. »Ich wusste gar nicht, dass es hier so
riesig ist.«
Auch heute noch waren die riesigen, rechteckigen Becken aus
der Römerzeit, die von starken, in der Kalksteindecke verankerten Bogenlampen
erhellt wurden, mit Wasser gefüllt. Das gelbe Licht überschwemmte den Palast
mit einem goldenen Schimmer. Von den feuchten Wänden tropfte es, und über die
Wasserbecken führten kreuz und quer Holzstege. Jetzt verstand ich, warum der »Versunkene
Palast« seinen Namen trug. Er ähnelte einer alten, überschwemmten Zitadelle.
Der Wachmann zeigte auf eine Ecke und sagte etwas. Yeliz übersetzte für mich: »Er
sagt, der Tatort sei abgesperrt, und wir dürften das Absperrband nicht passieren.
Es ist gleich da drüben.«
»Begleitet er uns nicht?«, fragte ich.
»Er meint, es sei nicht mehr weit, wir könnten allein gehen«,
erwiderte Yeliz mit einem Schulterzucken.
Der Wachmann spähte zur Treppe, als hätte er es plötzlich eilig,
von hier weg zu kommen. Einen Augenblick hatte ich meine Klaustrophobie
vergessen, doch nun kehrte sie mit Macht zurück. »Sagen Sie ihm bitte, dass ich
ihm danke.«
Yeliz richtete es ihm aus. Der Wachmann nickte und ließ uns
allein. Das Echo seiner Schritte auf der Steintreppe verklang rasch. Ich wollte
nicht tiefer in den Palast eindringen, hatte aber keine andere Wahl. Ich drehte
mich zu Yeliz um, um mich
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