- Der Jünger des Teufels
dass Lou erschossen worden war, doch mein schlechtes Gewissen
quälte mich, und irgendwie kamen mir die Worte nicht über die Lippen. Josh hatte
Lou sehr nahe gestanden; daher musste ich es ihm schonend beibringen. Ich
wartete auf Joshs Reaktion, doch er schwieg. Vermutlich war er über meine
bevorstehende Verhaftung im Bilde gewesen. »Ich … ich muss mit dir sprechen, Josh.
Ich muss dir erklären, was passiert ist. Bist du doch da?«
»Ja«, antwortete Josh reserviert.
Seine Stimme klang fern, fast kühl. Vielleicht war er auch
im Büro und konnte deshalb nicht offen sprechen. »Bist du im Büro?«
»Nein, zu Hause. Ich kapiere das nicht. Hat Lou dir gesagt,
du sollst mich anrufen? Falls du dein Gepäck suchst, das du in Paris
zurückgelassen hast, das habe ich mitgebracht und auf Lous Anweisung im Büro
deponiert.«
Zu Hause. Er
wohnte in Gretchen Woods, ungefähr drei Meilen entfernt. Jetzt platzte ich mit
der Wahrheit heraus. »Darum habe ich dich nicht angerufen. Lou und Stone haben
mich am Flughafen verhaftet, aber ich bin geflohen.«
»Geflohen? Machst du Scherze? Bist du verrückt geworden? Was
ist in dich gefahren?«
»Das erkläre ich dir, wenn wir uns sehen. Ich brauche deine
Hilfe, Josh, sonst gerate ich in noch größere Schwierigkeiten. Alles, was man
dir in den letzten Tagen über mich erzählt hat, stimmt nicht. Jemand versucht,
mich reinzulegen, und ich weiß nicht, warum. Ich verstehe das alles nicht. Du
musst mir glauben, dass ich unschuldig bin.«
Nach einem Moment der Stille antwortete Josh mit ruhiger Stimme:
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Kate. Ich will dich jetzt nicht mit
Schuldzuweisungen bombardieren, aber du hast mich in Paris im Stich gelassen.
Lou hat mich vom Dienst suspendiert. Er will eine Untersuchung einleiten.«
»Tut mir leid, Josh. Ich wollte dich wirklich nicht in
Schwierigkeiten bringen.«
Wenn Josh vom Dienst suspendiert war, wusste er vermutlich nicht,
was geschehen war. Wenigstens duzt er dich noch, ging es mir durch den
Kopf. Doch als er Lous Namen erwähnte, schrak ich zusammen. Obwohl ich mich
bemühte, brachte ich nicht den Mut auf, ihm zu sagen, dass Lou tot war. »Ich
weiß, die Entschuldigung kommt zu spät, aber ich musste nach Istanbul, um mir
den Tatort persönlich anzusehen. Ich hatte gehofft, Hinweise auf den Mörder zu
finden. Stattdessen geriet ich in immer größere Schwierigkeiten. Ich brauche
deine Hilfe, Josh. Du musst zum Einkaufszentrum kommen und mich hier abholen.
Ich muss mit dir über den Fall sprechen. Vielleicht kommen wir gemeinsam
weiter.«
Josh schwieg einen Moment und seufzte dann. »Es gibt noch einen
anderen Grund, warum ich zu Hause bin, Kate. Neal ist krank. Er hat Magenkrämpfe
und Schweißausbrüche, typische Symptome bei Lupus-Kranken. Der Arzt ist da und
gibt ihm Spritzen. Ich kann ihn jetzt nicht allein lassen.«
»Das mit Neal tut mir leid.« In diesem Augenblick war mir klar,
dass Josh mir nicht helfen konnte und dass ich ganz auf mich allein gestellt
war. »Du hast Recht. Es ist besser, du bleibst bei deinem Sohn. Er braucht
dich.«
»Kate, tu dir einen großen Gefallen und gib auf.«
Ich hörte die Sorge in seiner Stimme und erkannte, dass ich
ihm nicht gleichgültig war, doch ich wusste auch, dass ich die Chance auf eine
Beziehung zwischen uns zunichte gemacht hatte. Ich wollte ihm sagen, dass Lou tot
war, wollte, dass er alles erfuhr. Ich habe gesehen, dass ein Mann Lou aus
nächster Nähe eine Kugel in den Kopf geschossen hat, und ich glaube, es war
Gemal. Aber was hätte das gebracht? Josh konnte mir nicht helfen.
»Ich … ich denke darüber nach«, log ich und hätte am
liebsten geweint.
»Das solltest du wirklich tun«, sagte Josh. »Es wäre für
alle Beteiligten das Beste.«
»Pass auf dich auf, Josh.«
»Du auch«, erwiderte er.
120.
Ich legte auf und begrub jede Hoffnung, die ich
auf eine Beziehung zu Josh gehegt hatte. Vielleicht waren meine Erwartungen zu
hoch. Und wenn ich meine Unschuld nicht beweisen konnte, würde ich ohnehin ins
Gefängnis wandern, und alles andere spielte dann keine Rolle mehr.
Verzweifelt strich ich mir mit der Hand durchs Haar und überlegte,
was ich jetzt tun sollte. Meine Möglichkeiten waren arg begrenzt. Vielleicht könnte
ich versuchen, mich in einem Lieferwagen zu verstecken, der das Einkaufszentrum
verließ, oder ein Auto zu stehlen …
Als ich Schritte hörte und mich umdrehte, wurde mein schlimmster
Albtraum Wirklichkeit. Der Schock fuhr mir in die Glieder
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