- Der Jünger des Teufels
Markantes Gesicht, sportliche Figur – er sah verdammt gut aus. Er
gehörte zu den Männern, die allein wegen ihres Auftretens aus der Menge
hervorstechen, und dabei benahm er sich vollkommen natürlich. »Kate Moran.«
Er betrachtete mich so aufmerksam, als wollte er einen
Blick in meine Seele werfen. »Citalopram, hm? Wissen Sie, wo die beste Apotheke
in der Gegend ist?«
Ich wusste nicht, worauf er hinauswollte. »Nein.«
Er tippte mit dem Finger auf seine Schläfe. »In Ihrem Kopf.
Da muss das Problem gelöst werden. Tun Sie sich den Gefallen, lassen Sie die
Finger von diesen Pillen, sonst verwandeln die Sie in einen Zombie.«
Zorn stieg in mir auf. Auch wenn der Mann vielleicht gute Absichten
hatte, fühlte ich mich von ihm bevormundet. »Sind Sie medizinisch bewandert
oder einfach nur ein Klugscheißer?«
Bryce unterdrückte ein Lächeln. »Wäre das ein Unterschied?«
»Wahrscheinlich nicht.«
Er schaute mir fest in die Augen. »He, ich wollte mich
nicht in Ihr Leben einmischen. Machen Sie, was Sie wollen. Ein guter Freund von
mir hat vor Jahren mit dem Tablettenschlucken angefangen und ist nie mehr davon
losgekommen. Glauben Sie mir – wenn Sie können, sollten Sie die Finger von den
Tabletten lassen. Sie schaffen das schon. Bis dann. Ich hoffe, Sie lassen sich mal
wieder hier blicken.«
Ich schaute ihm nach, als er davonging. An jenem Tag war er
mir gehörig auf den Wecker gegangen, und ich befolgte seinen Rat nicht.
Außerdem ging ich davon aus, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Ich nahm die
Tabletten am nächsten und übernächsten Morgen. Doch am dritten Tag dachte ich
über David Bryce’ Ratschlag nach. Und dann dämmerte mir, dass er verdammt Recht
hatte. Seitdem ich die kleinen weißen Pillen schluckte, fühlte ich mich wie
eine Schlafwandlerin. Für mich waren diese Pillen eine Art Stütze, doch Bryce
hatte Recht: Die beste Apotheke war in meinem Kopf, und dort musste der Kampf
beginnen.
Ich hörte mit dem Pillenschlucken auf und appellierte an meine
Vernunft. Es war viel schwerer, als ich gedacht hatte, und kostete mich
wahnsinnige Kraft, doch einen Monat später brauchte ich keine
Beruhigungstabletten mehr. Sechs Monate später wurde meine Scheidung von Paul
rechtskräftig. Meine Überraschung war groß, als er mich an dem Tag anrief, als
er die Unterlagen bekommen hatte. Er hörte sich traurig und unglücklich an, als
fiele es ihm schwer, das Ende unserer Ehe zu akzeptieren. »Kate, ich habe noch
mal über unsere Scheidung nachgedacht.«
Ich war fassungslos. »Nachgedacht? Was soll das? Wir sind seit
einem Jahr getrennt, Paul. Seitdem lebt jeder sein eigenes Leben.«
»Ich liebe dich noch immer, Kate.«
»Das glaube ich nicht. Was ist los, Paul?«
Er seufzte. »Suzanne und ich haben uns getrennt. Dieses Miststück
hat mir doch glatt vorgeworfen, ich wäre chauvinistisch und gewalttätig. Kannst
du dir das vorstellen? Sie hat die Polizei gerufen und behauptet, ich hätte sie
verprügelt, aber ich schwöre, das stimmt nicht. Sie ruiniert noch meine
Karriere. Hör mal, Kate, ich … ich werde stets ehrlich zu dir sein und zu Kreuze
kriechen, wenn du es noch einmal mit mir versuchst. Was meinst du? Wir fangen
ganz von vorne an. Es wird besser laufen als je zuvor.«
Paul konnte sehr aggressiv sein und geriet schnell in Rage,
aber er hatte mich nie angerührt. Ob er bei seiner Neuen die Grenze
überschritten hatte? Aber das spielte keine Rolle mehr.
»Paul, es ist vorbei, und das wissen wir beide. Wenn du es
nicht akzeptierst, hast du ein Problem. Es ist besser, wir gehen unsere eigenen
Wege und ziehen einen Schlussstrich. Vielleicht können wir eines Tages Freunde
sein.«
»Ich will nicht nur dein Freund sein, ich will dein Ehemann
bleiben.«
»Sei vernünftig. Paul. Dafür ist es zu spät.«
Ich hörte Wut in seiner Stimme aufflackern. »So wie ich es sehe,
bist du noch immer meine Frau, egal was passiert. Triffst du dich noch mit
diesem Künstler, diesem Bryce?«
»Woher weißt du, dass ich mich mit David treffe?«
»Ein Cop hört eine Menge. Denkst du noch mal über meine Bitte
nach, Kate?«
»Du warst es doch, der unsere Beziehung beendet hat«, sagte
ich, und das entsprach der Wahrheit. »Es gibt nichts mehr nachzudenken. Dir
wird schon früh genug eine neue Tusse über den Weg laufen.«
Diese bissige Bemerkung konnte ich mir nicht verkneifen. Plötzlich
wurde Paul aggressiv. »Du bist nicht besser als jede andere Schlampe!
Vielleicht tut es dir eines Tages leid, dass
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