- Der Jünger des Teufels
und presste ihr
gleichzeitig eine Hand auf den Mund, um Schreie zu ersticken.
Doch sie schrie nicht, sondern murmelte nur kurz und war binnen
Sekunden weggetreten.
Er brauchte drei Minuten, um die beiden Bewusstlosen zu seinem
Wagen zu schleppen. Als er das Mädchen und ihren Vater in den Kofferraum des Bronco
geworfen hatte – beide gefesselt und geknebelt –, verschloss er die Türen.
In einem Wohnwagen in der Nähe flammte Licht auf. Als sich
Augenblicke später eine Gardine bewegte, grinste der Besucher. Perfekt. Auf
neugierige Nachbarn war immer Verlass. Genau darauf hatte er gehofft.
Jetzt begann er mit seiner Aufführung. Den Blick auf das Wohnmobil
gerichtet, sprach er mit der verstellten hohen Stimme einer Frau zornig jene
Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, und stieg dann in den Bronco.
Er musste kichern. Es war alles genau nach Plan gelaufen.
Er ließ den Wagen an und schaltete das Abblendlicht ein, als er langsam vom
Gelände des Wohnwagenparks fuhr. Er fühlte sich großartig. Wenn er mordete,
fühlte er sich jedes Mal lebendig, als würde er Kraft schöpfen, wenn er
anderen das Leben nahm. Alles Teil des Teufelswerks. Bald würde sich die
Gesamtsumme seiner Opfer um zwei erhöhen, und noch viele würden folgen.
Der Jünger des Teufels setzte sein bestialisches Werk fort.
ZWEITER Teil
15.
Angel
Bay, Virginia
Das Klingeln meines Handys weckte mich. Ich
spähte auf die Uhr auf dem Nachttisch: drei Uhr nachmittags. Ich hatte zwölf Stunden
geschlafen und fühlte mich wie erschlagen. Beinahe hätte ich die
Nachttischlampe umgeworfen, als ich nach dem Telefon tastete. Dann hörte ich
Lou Raines’ Stimme.
»Alles klar, Kate? Schon die Zeitungen gelesen?«, fragte er
forsch, ohne auf eine Antwort zu warten.
Die Hintergrundgeräusche deuteten darauf hin, dass Lou sich
in seinem Büro in der FBI-Außenstelle Washington aufhielt. Ich sah ihn vor mir,
wie er vor seinem Schreibtisch auf und ab ging, den Hörer am Ohr, mit hoch
gezogenen Schultern und seiner schwarz geränderten Brille, die ihm das Aussehen
einer mürrischen Eule verlieh. Ich rieb mir die Augen und zog meinen Bademantel
an. »Ich war gestern Abend total erschöpft und hab geschlafen wie eine Tote.
Ihr Anruf hat mich geweckt.«
»Zeit aufzustehen, Kate. Dachte, es würde Sie vielleicht
interessieren, wie die heutigen Schlagzeilen lauten. Der Leitartikel des Richmond
Times-Dispatch, zum Beispiel. ›Killer-Psychiater hingerichtet.‹ Ziemlich
einfallslos, finden Sie nicht? Die Washington Post ist auch nicht
besser. ›Höhlenkiller tot.‹ Der Leitartikel des Daily Progress gefällt
mir am besten. ›Jünger des Teufels zur Hölle geschickt.‹ Ziemlich passend,
nicht wahr?«
»Nicht schlecht.« Ich schaute aus dem Fenster. Die kalte Wintersonne
glitzerte auf dem eisigen Wasser des Potomac hin ter Angel Bay, doch in
wenigen Stunden würde die Dunkelheit wieder hereinbrechen. Ich hatte gehört,
was Lou gesagt hatte, war aber fest entschlossen, die Vergangenheit hinter mir
zu lassen. Und das hieß, alles aus dem Gedächtnis zu streichen, was mit
Constantine Gemal zu tun hatte – auch die Schlagzeilen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Lou.
»Ich bin nur müde. Wie geht es Ihnen?«
»Bin in Topform, seitdem der Dreckskerl hingerichtet wurde.
Wo sind Sie?«
»Angel Bay.«
»Es war furchtbar gestern Abend, hm? Vielleicht hätte ich mit
nach Greensville fahren sollen, um Sie zu unterstützen.«
Seitdem Lou unter den Wechseljahren seiner Frau zu leiden hatte,
arbeitete er bis zu achtzehn Stunden am Tag, doch ich hatte darauf bestanden,
allein nach Greensville zu fahren, weil Lou einen freien Abend verdient hatte.
»Es war kein Problem, Lou. Es war ein guter Tag, wenn ich bedenke, dass ich das
Kapitel endlich abschließen kann. Jetzt muss ich versuchen, den Blick nach vorn
zu richten, auch wenn es nicht einfach sein wird.« Ich atmete tief ein und
langsam aus, als ich in die Küche stapfte und Costa Rica Gold in die
Kaffeemaschine füllte. »Aber die Hinrichtung war nicht gerade ein Vergnügen.«
Ich hörte Lou seufzen. »Unter anderem deshalb habe ich
angerufen. Ich hab einiges über gestern Abend gehört. Klären Sie mich auf?«
Ich erzählte ihm, dass Gemal bestritten hatte, David und Megan
getötet zu haben, von seinem Geständnis zwei weiterer Morde und von seinem
wilden Angriff auf mich. Seine verrückte Drohung verschwieg ich. Es hätte sich
absurd angehört.
»Oje«, erwiderte Lou. »Hört sich an, als hätten Sie eine
lustige
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