- Der Jünger des Teufels
Nähe betrachtete, sah ich einen winzigen
Höcker mitten auf seiner Nase. Offenbar war das Nasenbein einmal gebrochen und nicht
richtig zusammengewachsen. Doch es verlieh ihm einen gewissen rauen Charme. »Lou
hat mir gesagt, dass er Ihren Vater schon eine Ewigkeit kennt.«
Cooper nickte. »Sie sind zusammen aufgewachsen und
zeitlebens Freunde geblieben. Lou war so oft bei uns zu Hause, dass ich
manchmal das Gefühl hatte, zwei Väter zu haben.«
»Sie stehen sich sehr nahe?«
»Ja, ziemlich. Man könnte sagen, dass wir Freunde sind,
auch wenn ich Lou fast als Onkel ansehe. Unter der rauen Schale ist er ein
herzensguter Mensch.«
Ich wusste, was er meinte. »Hat er seine Beziehungen für
Ihre Versetzung nach Washington spielen lassen?«
Cooper schaute mich gekränkt an. »Das hätte ich nicht
gewollt, und es ist auch nicht Lous Art. Man muss sich seine Sporen selbst
verdienen.«
»Und warum sind Sie nach Washington versetzt worden? Um bessere
Chancen auf eine Beförderung zu haben?«
»Nein, das war nicht der Grund.« Mehr sagte Cooper nicht dazu.
Er starrte aus dem Fenster, und wir setzten die Fahrt in angespanntem Schweigen
fort.
Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, ging es mir durch den Kopf.
Vielleicht hatte seine Versetzung doch nichts mit einer Beförderung zu tun.
Ein paar Minuten später erreichten wir Washington und
erblickten vor uns das wie eine Hochzeitstorte geformte Capitol.
»Lou hat mir gesagt, dass Sie in den Gemal-Morden ermittelt
haben. Ich kenne Ihr Gesicht auch aus den damaligen Fernseh- und Zeitungsberichten.«
»Ich bin geschmeichelt. Mein einziger Versuch, berühmt zu werden,
aber die Medien hatten diesem Fall auch sehr viel Beachtung geschenkt.«
»Lange Zeit war es der Fall schlechthin. Lou hat mir
auch erzählt, dass Sie mit David Bryce verlobt waren.«
»Wir wollten heiraten. In der Woche, nachdem er und Megan
ermordet wurden«, erwiderte ich. »Hat Lou Ihnen noch mehr erzählt?«
»Ein paar Dinge, ja.«
Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ist kein Problem, Cooper,
reden Sie schon.«
Cooper zögerte. »Er sagte, Gemal wollte Ihnen Schmerz
zufügen und habe die beiden ermordet, weil Sie ihm dicht auf den Fersen waren.
Gemal wollte Sie verhöhnen und sich an Ihnen rächen, weil Sie ihn so
unerbittlich gejagt haben. Mein Gott, es muss die Hölle für Sie gewesen sein.«
Sie haben ja keine Ahnung, hätte ich fast gesagt. Ich fragte mich, ob Lou ihm auch von
Gemals Behauptung erzählt hatte, David und Megan gar nicht ermordet zu haben. »Lou
scheint Ihnen viel anvertraut zu haben.«
Als wir auf den Judiciary Square fuhren, verringerte Cooper
das Tempo und fuhr in die Tiefgarage. »Es war sicherlich nicht böse gemeint«,
sagte er.
Ich weiß nicht, ob es mich ärgerte, dass Lou seinem
Schützling so viel über mich erzählt hatte, aber irgendwie wurmte es mich
schon. »Ihre Einmischung in Billys Befragung war sicher auch nicht böse
gemeint.«
»Ich verstehe nicht …«, sagte Cooper.
»Es war gut, dass Sie Billy zum Reden gebracht und ihm ein paar
Fragen gestellt haben, aber in Zukunft wäre es mir lieb, wenn Sie warten, bis
ich mein Okay gebe«, sagte ich mit Nachdruck.
Cooper erwiderte zunächst nichts. Offenbar war er
eingeschnappt. Doch als er nach einer Parklücke Ausschau hielt, holte er zum
Gegenschlag aus. »Brauche ich Ihre Genehmigung, um einen Parkplatz zu suchen,
Agent Moran, oder darf ich das allein tun?«
»Diese vorwitzige Bemerkung hätten Sie sich sparen können, Cooper.«
»Bezeichnen Sie es auch als vorwitzig, wenn ich
Eigeninitiative zeige?«
Mir blieb keine Zeit für eine Antwort, denn als Cooper in eine
Parklücke fuhr, klingelte erneut mein Handy. Diesmal war es Armando Diaz. »Kate,
wie geht es meiner Lieblingskollegin? Ich warte auf dich, mein Schatz.«
Für diesen Lateinamerikaner waren alle Frauen seine
Lieblingskolleginnen. »Wir sind gerade in der Tiefgarage angekommen. Was ist
los, Armando?«
»Ich glaube, ich habe die Identität eines der Opfer.«
»Das ging aber schnell.«
»Ich bin nun mal ein Genie.«
»Was hast du herausgefunden?«
»Komm gleich in mein Labor. Ich glaube, wir hatten großes Glück.«
27.
»Guck mal genau hin«, sagte Diaz.
Cooper und ich waren im Untergeschoss der Gerichtsmedizin.
Mehrere Assistenten in weißen Kitteln standen an ihren eigenen Arbeitstischen
und achteten nicht auf uns. »Ich sehe nichts«, sagte ich, als ich durch die
Linsen eines Elektronenmikroskops schaute.
»Warte, ich stell die Schärfe
Weitere Kostenlose Bücher