- Der Jünger des Teufels
Wer immer der Täter war,
er musste diese Spuren irgendwie beseitigt haben. Hatte Cooper vielleicht doch
Recht? Konnte es sein, dass der Täter die Spuren weggefegt oder irgendwie
geschmolzen hatte? Aber das hätte Zeit gekostet und große Mühe erfordert.
Außerdem hätte auch das Spuren hinterlassen.
Kaum hatte ich ein paar Bissen gegessen, als das Telefon
klingelte. Ich hob ab. Die angezeigte Handynummer kannte ich nicht. »Miss
Moran? Hier ist Lucius Clay.«
Ich war erstaunt, dass der Direktor mich so schnell
zurückrief.
»Ich habe erst vor ein paar Minuten im Gefängnis angerufen
und erfahren, dass Sie Ihr Büro bereits verlassen hatten. Haben Sie meine
Nachricht erhalten?«
»Nein, Miss Moran. Ich habe auf gut Glück angerufen und gehofft,
Sie zu Hause anzutreffen. Vorhin hatte ich es schon mal auf Ihrem Handy
probiert.«
»Ja, ich weiß. Ist es so wichtig, Mr Clay?«
»Es wäre mir lieb, wenn wir uns treffen könnten«, sagte er zögernd.
»Geht es um Gemals Angriff auf mich? Meine Schulter ist fast
schon wieder in Ordnung.«
»Nein, es geht um etwas anderes.«
»Und was?«
»Ich würde mich lieber mit Ihnen treffen, wenn es Ihnen nichts
ausmacht.«
»Wann?«
»Wäre Ihnen heute Abend recht?«
Diese Dringlichkeit und Clays geheimnisvoller Tonfall
erstaunten mich. »Ich bin ziemlich müde, Mr Clay. Hat das nicht Zeit bis
morgen?«
»Morgen fliege ich zu einer wichtigen Konferenz nach New York.
Heute Abend aber bin ich zufällig ganz in Ihrer Nähe. Ich bin zum Bridge
verabredet und dachte, Sie hätten vielleicht Zeit.«
Woher wusste Clay, wo ich wohnte? Und woher hatte er meine
Telefonnummer? Mich interessierte beides brennend, doch im Augenblick dachte
ich nicht weiter darüber nach.
»Wann beginnt Ihre Bridgerunde?«
»Um neun. Ungefähr fünf Meilen von Ihrem Haus entfernt ist
eine Imbissstube namens Jasper Johnsons.«
»Kenn ich.«
»Wir könnten uns dort treffen. Um acht. Der Kaffee ist
nicht besonders gut, aber ich verspreche Ihnen, dass die Fahrt sich für den
Schokoladennusskuchen lohnt.«
»Ich versuche, um acht da zu sein. Könnten Sie mir nicht sagen,
um was es geht?«
»Es wäre mir lieber, wenn wir nachher erst darüber
sprechen, Miss Moran. Ich gebe Ihnen meine Handynummer, falls Sie sich verspäten
sollten.«
29.
Clays Anruf beunruhigte mich so sehr, dass mir
der Appetit vergangen war. Worüber wollte er mit mir reden, und warum tat er so
geheimnisvoll?
Ich konnte mich nicht entspannen. Tausend Dinge gingen mir
durch den Kopf. Ich nahm zwei Aspirin, weil ich Kopfschmerzen bekam, kratzte
Eis aus dem Gefrierfach und schüttete es in eine Plastiktüte. Dann setzte ich
mich an den Küchentisch und drückte mir den Eisbeutel auf die Stirn. Es dauerte
nicht lange, bis Wasser auf den Tisch tropfte. Mein Blick schweifte durch die
Küche und fiel auf den Karton unter dem Küchenschrank.
Nach Davids und Megans Beerdigung hatte ich es nicht übers Herz
gebracht, all ihre Sachen wegzuwerfen. Ich hatte ein paar Fotos und einige
persönliche Dinge behalten und in den Karton gelegt. Kurz entschlossen zog ich
ihn nun unter dem Schrank hervor und hob den Deckel ab. Auf ein paar ledernen
Fotomappen lagen ein tragbarer CD-Player und eine Sammlung CDs, die Megan gern
gehört hatte. David hatte ihr den CD-Player von einer Geschäftsreise
mitgebracht, die wir in einem Sommer nach Montreal gemacht hatten. Megans
Lieblings-CD von Slipknot lag noch im CD-Player. Ich nahm ihn heraus, steckte neue
Batterien in das Gerät und schaltete es ein.
Es war Rockmusik, gesungen von einer Gruppe verrückter Typen
mit teufelsähnlichen Masken, was weder nach meinem noch nach Davids Geschmack
war, doch Megans Freunde standen darauf, und ich hatte damals vermutet, dass es
sich nur um die vorübergehende Laune einer pubertierenden Jugendlichen handelte.
Als ich der Musik lauschte, liefen mir Tränen über die Wangen. Ich musste an
die Tage denken, als die Musik dröhnend aus Megans Zimmer gedrungen war, wenn
Freundinnen bei ihr geschlafen hatten. Ich sah ein, dass ich mich nur quälte, und
stellte die Musik ab.
Es gab noch immer Tage, an denen mich das schmerzhafte Bedürfnis
überkam, mir die Fotos anzusehen und Megans Musik zu hören. Warum machte ich
mir das Leben so schwer? Die Antwort auf diese Frage war einfach. Mitunter
haben wir das Bedürfnis, um geliebte Menschen zu weinen, die wir verloren
haben. Das Bedürfnis, uns daran zu erinnern, dass wir Menschen sind und dass
der Tod uns bis ins Innerste
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