- Der Jünger des Teufels
Haarfarbe, dickeren Wangen, Bartstoppeln und einer
anderen Augenfarbe ausgestattet hatte, hatte ich ein Gesicht geschaffen, das
mir nur zu vertraut war.
Es war das Gesicht von Constantine Gemal.
42.
Als ich vor Franks Haus in Springfield parkte,
war es Viertel vor sechs, und es wurde dunkel. Der Bungalow gehörte einem
Kollegen von ihm, der für ein Jahr nach Übersee versetzt worden war, und Frank
hütete das Haus. Als ich durch den Garten zur Haustür lief, war ich noch immer
aufgewühlt. Gemals Gesicht auf dem Monitor hatte mir wahnsinnige Angst
eingeflößt, vor allem da ich wusste, dass Gemal sich unglaublich geschickt
verkleiden konnte. Ein unheimlicher Gedanke, mit dem ich mich lieber nicht
weiter beschäftigen wollte, nahm allmählich Gestalt an.
Ich klingelte. Es dauerte einen Moment, bis Frank die Tür mit
einem verhaltenen Grinsen öffnete. Er trug nur eine Jeans und frottierte sein
von der Sonne ausgeblichenes Haar mit einem Handtuch. »Du bist früh dran. Ich
habe gerade geduscht. Komm rein.«
Er war dreiundvierzig, sah aber älter aus. Der jahrelange Alkoholmissbrauch
hatte Narben und Furchen in seine Haut gegraben. Meine Kollegen sagten oft,
Frank sehe aus wie der Schauspieler Tommy Lee Jones. Es war ein treffender
Vergleich, aber Frank hatte langes Haar, das er meistens mit einem Gummi zusammenband.
Oft wirkte er wie ein Penner, vor allem, wenn er trank. Mir fielen seine
blutunterlaufenen Augen und sein gerötetes Gesicht auf. »Geht es dir besser?«,
fragte ich.
»Ehrlich gesagt, kein bisschen.« Frank führte mich ins
Wohnzimmer. »Setz dich. Möchtest du einen Kaffee?«
»Im Augenblick nicht. Worüber wolltest du mit mir sprechen?«
»Nicht so eilig, Schwesterherz. Sag ich dir gleich.«
Ich setzte mich auf die Couch, und Frank ließ sich mir gegenüber
seufzend auf einen Sessel fallen. Er frottierte noch einmal kurz sein Haar und
zog dann ein schmutziges graues T-Shirt an, das aussah, als hätte ein Hund
darauf geschlafen. Es war schwer vorstellbar, dass Frank einst in Quantico einer der
besten Agenten gewesen war, mit einem Doktortitel in Kriminalpsychologie. Er hatte
eng mit dem NCAVC zusammengearbeitet, der Zentralstelle für die Analyse von
Gewaltverbrechen, hatte Verbrechensschauplätze untersucht und psychologische
Gutachten der Täter und Opfer sowie Täterprofile erstellt. Doch der Anblick
zahlreicher Tatorte und entstellter Leichen – vor allem wenn Kinder betroffen
waren – hatte seinen Tribut gefordert: Frank hatte immer öfter zur Flasche
gegriffen. Seine Ehe ging in die Brüche. Im Jahr darauf starb sein ältester
Sohn bei einem Motorradunfall in Baltimore. Franks Leben lag in Scherben. Eines
Tages verließ er sein Büro, betrank sich besinnungslos und kehrte nicht mehr
zurück.
In den letzten achtzehn Monaten hatten sich Besäufnisse und
Entziehungskuren abgewechselt, und er hatte es mit Mühe und Not geschafft, sich
über Wasser zu halten.
»Dieser Fall, an dem du arbeitest …«, begann er, strich
sein zerzaustes Haar glatt und band es mit einem Gummi zusammen.
»Von welchem Fall sprichst du?«
»Von dem Fall. Die Leichen, die ihr in der
stillgelegten Mine in der Nähe von Acre gefunden habt.«
»Woher weißt du das?«, fragte ich erstaunt.
Frank goss sich eine Tasse schwarzen Kaffee ein und
bedachte mich mit seinem typischen Tommy-Lee-Jones-Grinsen. »Hältst du mich für
blöd? Hab’s im Fernsehen gesehen. Mehrere Lokalsender haben darüber berichtet.«
»Aber woher weißt du, dass ich zu den Ermittlern gehöre?
Ich dachte, mein Name wurde nicht erwähnt.«
Frank trank einen Schluck Kaffee. »Ich habe noch immer Kontakt
zu den meisten Kollegen, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe.
Betrunken oder nüchtern, ich bin nicht taub, Schwesterherz.«
»Das hat ja schnell die Runde gemacht. Und was genau hast du
gehört?«
Frank stellte die Tasse auf den Tisch und lehnte sich
seufzend zurück. »In der Mine wurden zwei verstümmelte und verbrannte Leichen
gefunden, die stark an Gemals Morde erinnern. Die Opfer wurden ausgeweidet und
…«
»Hör auf, Frank. Allein der Gedanke an Gemals Mordmethode
jagt mir Schauer über den Rücken.«
Frank bedauerte es sofort, mich so brutal an Gemals
Schlächterei erinnert zu haben. »Manchmal rede ich, ohne vorher meinen Verstand
einzuschalten. Tut mir leid, Kate. Wie lief die Besprechung?«
»Keine neuen Erkenntnisse. Wir stehen ganz am Anfang der Ermittlungen.
Warum interessiert dich der Fall?«
»Ich möchte dir
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