- Der Jünger des Teufels
Versuch
gegeben, zwei weitere Opfer zu entführen und zu töten.«
»Wo?«
»In den Katakomben im Viertel Denfert-Rochereau, wo Gemal
seine Opfer vor fünf Jahren getötet hat. Der Ort ist etwa einen Kilometer von
der Kanalisation entfernt, wo wir gestern die beiden Leichen gefunden haben.
Allem Anschein nach haben wir Zeugen.«
Mein Puls ging schneller. »Was für Zeugen?«
»Eine Touristin und ihre Tochter haben einen Mann gesehen, der
in einem der Tunnel ein Messer schwang. Er hat versucht, sie anzugreifen, floh
dann aber, als die anderen Mitglieder der Gruppe auftauchten.«
»Wann war das?«, fragte ich.
»Vor knapp zehn Minuten.« Delon ließ das
Seitenfenster herunter und zog das Blaulicht unter seinem Sitz hervor. Er
stellte es aufs Dach und drückte auf einen Schalter, worauf das Heulen der
Sirene erklang. »Die Katakomben sind nur fünf Minuten von hier«, rief er. »Polizisten
sperren das gesamte unterirdische und überirdische Gebiet ab. Ein Entkommen ist
unmöglich. Wenn der Killer da unten ist, werden wir ihn finden.«
52.
Mein Herz klopfte laut, als der Renault mit
heulender Sirene durch Paris jagte. Dann hielten wir mit kreischenden Reifen am
Ende einer Straße, auf der bereits zahlreiche Streifenwagen standen. Die Straße
war auf beiden Seiten abgesperrt. Dutzende bewaffneter Polizisten sprangen aus
Mannschaftswagen, rannten über die Bürgersteige und in die Nebenstraßen hinein.
»Wir sind da«, rief Delon, als wir vor einem altehrwürdigen Gebäude
hielten, vor dem die französische Flagge an einem Fahnenmast wehte. Das Gebäude
stand auf einem Platz, an den ein kleiner Park mit ein paar Bäumen und Bänken
grenzte, auf denen benebelte Säufer und Obdachlose mit traurigen Mienen saßen.
Delon stieg aus;
wir folgten ihm und seinem Kollegen. Sie steuerten auf eine Gruppe
uniformierter und ziviler Polizisten zu, die neben einer schwarzen Stahltür
letzte Anweisungen erhielten. Die Tür war geöffnet und gab den Blick auf eine
vergilbte, in die Tiefe führende Kalksteintreppe frei.
Delon zündete sich
eine Zigarette an und nahm wütend einen Zug, als er mit dem verantwortlichen Beamten
sprach. Schließlich kam er mit einer Karte zu uns zurück. » Voilà! Ein
Plan der Katakomben. Bis jetzt haben wir die Tunnel vom Boulevard de Port Royal
bis zur Rue Dareau gesichert.«
Delon stieß mit
dem Finger auf die Karte; Josh und ich betrachteten den Plan. Es schien sich um
ein Gebiet von der Größe mehrerer Footballfelder zu handeln, durch das sich
kreuz und quer Tunnel zogen – ein wahres unterirdisches Labyrinth.
Delon fuhr fort: »Der
verantwortliche Polizeibeamte ist sicher, dass der Killer sich noch irgendwo da
unten aufhält.«
»Wieso?«, fragte ich.
Delon zeigte auf
die Karte. »Weil es nur wenige Ausgänge gibt. Wir haben sie alle abgesperrt,
und vor sämtlichen Stahltüren stehen Polizisten. Bisher hat niemand versucht,
durch eine der Türen zu fliehen.«
»Dann ist der Killer da unten eingeschlossen?«, fragte Josh.
» Oui, ich glaube, er sitzt in der Falle«, erwiderte Delon zuversichtlich.
Der Inspektor schien überzeugt zu sein, doch ich würde erst
daran glauben, wenn der Täter in Handschellen vor mir stand. Vor allem in
Gemals Fall, denn der Jünger war gerissen wie ein Fuchs. Ich erschrak, als ich
die Absurdität meines Gedankens erkannte: Gemal war tot. Ein Polizist mit einem Funkgerät kam zu Delon und sprach
aufgeregt auf ihn ein.
»Was ist?«, fragte ich Josh, der das erhitzte Gespräch
verfolgte.
»Hört sich so an, als wäre der Verdächtige erneut gesehen worden«,
sagte Josh.
»Wo?«
»Tut mir leid, ich konnte nicht alles verstehen.«
Als Delon zu uns kam, stieg Unruhe in mir auf. »Zwei unserer Leute
haben den Verdächtigen gesehen. Sie bewachen eine Treppe neben dem alten
Krankenhaus St. Vincent de Paul, eine Straße von hier. Die Treppe führt in die
Katakomben hinunter. Die beiden haben einen Mann beobachtet, der diese Treppe
hinaufstieg, mit einem Messer bewaffnet. Als sie ihn aufforderten, stehen zu bleiben,
rannte er zurück in die Katakomben und verschwand.«
»Haben die Männer sein Gesicht erkannt?«
Delon nickte. »Er
war Mitte dreißig, Anfang vierzig. Dunkles Haar, südländisches Aussehen und tätowierte
Arme.«
Ich traute meinen Ohren nicht. Diese Beschreibung passte
auf Gemal. Doch ich schwieg. Was hätte es gebracht, meine Gedanken zu
äußern?
»Unser Killer sucht offenbar einen Fluchtweg«, sagte Delon.
» Er wird wieder töten,
wenn er
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