- Der Jünger des Teufels
sich dazu gezwungen sieht.« Delon zog eine Automatik aus einem Holster an der
Hüfte und ging zum Eingang der Katakomben. Laval folgte ihm mit zwei gummierten
Taschenlampen und zwei Funkgeräten. »Sie beide sollten hier oben warten«, sagte Delon.
»Auf keinen Fall, Inspektor. Ich komme mit«, widersprach ich.
»Ich fürchte, wir haben es mit einer sehr gefährlichen
Situation zu tun«, meinte Delon.
»Wir kommen trotzdem mit, Inspektor«, sagte nun auch Josh.
»Sie können uns nicht aufhalten.«
Delon seufzte
laut. »Also gut. Aber auf eigene Gefahr.«
53.
Laval führte
uns die Wendeltreppe in die Katakomben hinunter. Bei dem Gedanken, in die
Unterwelt von Paris einzutauchen, schlug mir das Herz bis zum Hals. Was hatte
ich mir da eingebrockt?
»Man kann sich da unten leicht verirren. Bleiben Sie stets
in meiner Nähe«, riet Delon, den Plan der Katakomben in der Hand. »Einmal hat sich ein
Tourist verlaufen, und sein Leichnam wurde erst elf Jahre später gefunden.«
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte ich beunruhigt und hatte jetzt
schon das Gefühl, die Mauern würden sich auf mich zu bewegen, doch ich zwang
mich, weiter zu gehen, und blieb dicht hinter Josh.
Delon stellte sein
Funkgerät leiser. »Mein voller Ernst, Madame. Und denken Sie daran – falls die
geringste Gefahr droht, überlassen Sie die Sache mir und meinen Männern.«
Das Licht von Delons Taschenlampe fiel auf die
Kalksteinwände des Treppenhauses, als wir tiefer hinabstiegen. Die Luft roch
feucht, und ich zitterte am ganzen Körper. Ich hatte das Gefühl, als zöge die
Treppe sich endlos in die Tiefe. Als wir unten ankamen, sah ich den Schlund
eines Tunnels mit gewölbter Decke, an der Neonröhren unter Drahtgittern hingen.
Das Licht fiel auf feuchte Mauern, von denen Wasser tropfte. Der Boden war mit
Schlamm und nassem Schotter bedeckt.
Und dann erlebte ich einen Schock: Zu beiden Seiten des Tunnels
waren torbogenförmige Nischen in die Wände eingelassen, in denen menschliche
Gebeine zwei Meter hoch und drei bis vier Meter tief aufgeschichtet waren.
Hier lagen hunderttausende Toter, und die schaurigen Höhlen
schienen kein Ende zu nehmen. Ich sah unzählige unterirdische Krypten, in denen
bleiche Gebeine moderten.
Delon leuchtete
mit seiner Taschenlampe in eine dieser grässlichen Grüfte. »Einige Skelette
stammen von Opfern der Straßenkämpfe während der französischen Revolution. In
den Schädeln der Erschossenen kann man die Einschusslöcher sehen.«
Ich schauderte, während Josh Interesse an den makabren Knochenbergen
vortäuschte und mit der Fingerspitze auf einen der Schädel stieß. »Ich berühre
Geschichte.«
»Gleich kommen wir zu den Kreuzungen des Todes, wie wir Pariser
sie nennen«, sagte Delon.
»Warum heißen sie so?«
»Das werden Sie gleich sehen«, erwiderte Delon geheimnisvoll.
Ich fröstelte. Warum nur hatte ich darauf bestanden, die
französischen Kollegen in die Katakomben zu begleiten? Jedenfalls regte sich
jetzt meine Angst, und Panik schnürte mir fast die Kehle zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte Josh. »Du siehst ein bisschen
wackelig aus.«
»Alles in Ordnung.«
Doch es war gar nichts in Ordnung. Ich hatte wahnsinnige Angst. Delon, der
schon vorausgegangen war, schwenkte ungeduldig die Taschenlampe. »Madame,
Monsieur, Sie müssen mit uns Schritt halten. Es ist sicherer für Sie.«
Meine Angst wuchs von Sekunde zu Sekunde, und mein
Widerstand, in den Tunnel einzudringen, verstärkte sich.
»Komm, wir müssen uns beeilen, damit wir den Anschluss nicht
verlieren.« Mit diesen Worten packte Josh mich am Arm und zog mich in den
Schlund des Tunnels.
54.
»Bleib in meiner Nähe«, flüsterte Josh und hielt
meine Hand. Seine Berührung war beruhigend; dennoch wuchs meine Panik mit jedem
Schritt, und das Atmen fiel mir schwer. Delon und Laval gingen uns voraus und ließen die Strahlen
ihrer Taschenlampen über die glitschigen Wände gleiten. Die Luft war feucht, und
von der Decke tropfte Wasser. Nach jeder Biegung sahen wir alte, verrottete
Straßenschilder, die in die Wände einbetoniert waren.
»Was Sie hier sehen, sind die alten Straßenschilder von
Paris. Sie wurden zusammen mit den Skeletten in die Katakomben gebracht«,
erklärte Delon, der auf die Karte schaute. »Der Verdächtige wurde ungefähr
zweihundert Meter von hier entfernt gesehen.«
»Sind Sie ganz sicher, dass der Mann in der Falle sitzt?«, fragte
ich und versuchte, meine bohrende Angst zu überspielen.
»Er kann nicht aus den
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