- Der Jünger des Teufels
Katakomben entkommen?«
Delon hob den
Blick von der Karte. »Offiziell sind die Katakomben ein geschlossenes
Tunnelsystem. Ich habe jedoch Gerüchte gehört, dass es hier mehrere Stahltüren
gibt, die in die Kanalisation der Stadt führen, die ein separates Tunnelsystem bildet.
Doch vor ein paar Jahren wurden die Türen angeblich von städtischen Technikern
verriegelt, um die Stadt gegen Terroranschläge zu schützen.«
»Sind Sie sicher, dass diese Türen noch immer verschlossen sind,
Inspektor?«, fragte Josh.
Delon nickte. »Das
wurde Laval jedenfalls von den Technikern versichert. Natürlich ist es
trotzdem möglich, dass einer der Bewohner der Kanalanlagen eine Tür
aufgebrochen hat.«
» Bewohner? « , fragte ich.
»Von der Polizei gesuchte Drogendealer und Kriminelle
nisten sich häufig in der Kanalisation ein. Sie wissen, dass sie hier vor
Strafverfolgungen sicher sind, daher verstecken sie sich in provisorischen
unterirdischen Räumen. Ich frage mich, ob unser anonymer Anrufer, der den
Leichenfund gemeldet hat, einer von ihnen ist. Das könnte auch erklären, warum
er die Polizei nicht angerufen hat.«
»Außerdem ziehen diese Orte gewisse Außenseiter der Gesellschaft
an, zum Beispiel Transvestiten und Sadomasochisten«, fügte Josh hinzu.
»Soll das ein Scherz sein?«, fragte ich.
»Es gibt kaum eine Randgruppe, die hier nicht vertreten ist«,
meinte Josh. »Ich habe etwas über die Kanalisation gelesen und erfahren, dass
es ein recht merkwürdiger Ort ist. Es scheint hier eine richtige
Untergrundkultur zu geben. Nicht gerade die Welt, die in den
Hochglanz-Touristenführern erwähnt wird.«
»Genau«, sagte Delon
mit einem gequälten Lächeln. »Kommen Sie, wir
dürfen keine Zeit verlieren.«
Wir liefen an den Nischen mit den menschlichen Gebeinen vorbei.
Durch diesen Anblick verschlimmerte sich meine Klaustrophobie, und das Blut
stieg mir in den Kopf. Ich war vollkommen kraftlos und hatte das Gefühl, keinen
Schritt mehr gehen zu können.
»Wo entlang, Inspektor?«, fragte Josh.
Delon schaute auf
seine Karte und wies mit der Taschenlampe nach links. »Da lang, glaube ich.
Bleiben Sie dicht hinter mir. Dieser Teil der Katakomben ist sehr gefährlich.
Die Tunnel zweigen in verschiedene Richtungen ab.«
Plötzlich huschte ein Schatten über die Mauer vor uns und verschwand
sofort wieder. Das Geräusch fliehender Schritte war zu vernehmen. »Da ist
jemand vor uns«, flüsterte ich. Mein Herz klopfte zum Zerspringen.
Delon zog seine
Waffe; auf seiner Stirn schimmerten Schweißperlen. »Bleiben Sie dicht hinter
mir«, beharrte er, als wir unseren Weg wachsam fortsetzten.
Wir bogen um eine Ecke und sahen, dass zwei unterirdische Gänge
vom Tunnel abzweigten. »Wo entlang?«, flüsterte Josh.
Delon schwitzte
stark. Er konsultierte die Karte und konnte sich offenbar nicht entscheiden. »Ich
bin mir nicht sicher … es ist besser, wir teilen uns auf. Madame, wenn Sie sich
bitte Laval anschließen würden. Monsieur, Sie kommen mit mir. Und seien
Sie vorsichtig. Wenn uns irgendetwas auffällt, nehmen wir Funkkontakt auf.«
Mir gefiel der Gedanke gar nicht, tiefer in den Tunnel
einzudringen, auch wenn Laval mich begleitete. Ich hätte am liebsten sofort das Weite
gesucht. Außerdem hatte ich das ungute Gefühl, von irgendjemandem aus der
Dunkelheit beobachtet zu werden. Beharrlich redete ich mir ein, meine Fantasie
spiele mir einen Streich.
Plötzlich knatterte Delons Funkgerät. Er führte das Mikro
an den Mund und meldete sich leise. » Oui? «
Während Delon zuhörte und dann rasch antwortete, richtete Josh seine
Taschenlampe auf mich. »Du siehst geschafft aus. Geht’s noch?«
»Ich … weiß nicht.« Ich schwitzte, und meine Angst wuchs mit
jeder Sekunde.
Delon beendete
sein Gespräch und sagte: »Der Verdächtige wurde erneut gesehen.«
»Wo?«, fragte Josh.
»Hundert Meter von hier. Er läuft in unsere Richtung«,
erwiderte Delon. »Wir müssen uns aufteilen. Der Verdächtige muss durch eine
dieser beiden Abzweigungen auf uns zukommen. Madame, gehen Sie bitte mit Laval. Sie, Cooper,
kommen mit mir. Und seien Sie um Himmels willen vorsichtig.«
Delon bog rechts
ab. Josh winkte mir zu, ehe die beiden im Tunnel verschwanden.
Laval schaute mich an. »Sind Sie bereit, Madame?«
Nein, war ich nicht. Ich konnte keinen Schritt mehr gehen, hatte
panische Angst und das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen. Stattdessen
lächelte ich Laval zaghaft an. »Sicher. Nach Ihnen.«
Laval zuckte mit
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