- Der Jünger des Teufels
identischen Mordfällen zu tun haben.«
50.
Der Jünger bog von der Rue Boulard in eine kleine
Gasse ein. Es war sein zweiter Vormittag in Paris, und er amüsierte sich
köstlich. Gestern hatte er zwei Opfer in der Kanalisation ermordet und
anschließend von einem öffentlichen Telefon die Kanalwartung angerufen, die
bestimmt sofort die Polizei verständigt hatte. Das alles gehörte zu seiner
Strategie, Kate Moran zu ködern.
Jetzt wollte er seine Fantasie einmal durchspielen. Er
wollte wissen, was für ein Gefühl es war, Kate zu töten, nachdem er zuvor ihr
Leben zerstört hatte. Er wollte die Sache perfekt durchspielen, damit im
entscheidenden Moment alles nach Plan lief. Deshalb brauchte er ein
Ersatzopfer. Und er wusste genau, wo er eins finden würde – nicht in der Gegend
um den Boulevard de Sebastopol, die wegen ihrer Bordelle bekannt war, ein
farbenfrohes Rotlichtmilieu, wo sich Zuhälter, Nutten und Freier tummelten.
Stattdessen befand er sich im Gewirr der Gassen von Denfert-Rochereau, wo die
Pariser Katakomben lagen. Der Jünger betrat ein Haus durch eine Doppeltür,
stieg eine Metalltreppe in den ersten Stock hinauf und klingelte an einer
Wohnungstür.
Die Frau, die ihm öffnete, war Anfang dreißig und sehr hübsch.
Sie hatte hellbraunes Haar und trug einen Minirock, der ihre sagenhaften Beine
zur Geltung brachte. Ihr Top war so kurz, dass der Brillantring im Bauchnabel
zu sehen war. In der Nase saß ebenfalls ein winziger Brillant, und mit ihren
verführerischen Lippen und den festen Brüsten wirkte sie sehr sexy. Die Frau
war dem Jünger gestern Nacht auf der Straße aufgefallen, und er hatte entschieden,
dass sie ausgezeichnet in sein Konzept passte. Wenn sie sich ein bisschen
anders schminkte und blondes Haar hätte, wäre die Illusion, Kate Moran
gegenüberzustehen, perfekt.
»Monsieur?« Die Frau öffnete die Tür, die allerdings noch
mit einer Kette gesichert war.
Der Grund seines Besuches bedurfte zwar keiner Erklärung, doch
der Jünger sprach ein bisschen Französisch. »Wie … wie viel, um etwas Zeit mit
Ihnen zu verbringen?« Er gab sich unsicher wie ein verklemmter Freier.
Sie lächelte, als wäre sie froh, zu dieser frühen Stunde
schon einen Kunden zu haben. »Das hängt ganz davon ab, Monsieur. Haben Sie
besondere Wünsche?«
Er nickte zaghaft. »Nur … ein paar Spiele.«
Plötzlich wurde die Frau argwöhnisch. Der Jünger vermutete,
dass sie es schon häufiger mit verrückten Typen zu tun gehabt hatte. Und jetzt
würde sie ihren schlimmsten Albtraum erleben.
»An welche Spiele dachte der Herr?«, fragte sie.
Er hielt eine kleine Reisetasche hoch und sagte schüchtern auf
Französisch: »Nichts Extremes. Nur eine kleine Verkleidung. Ich … ich habe ein
paar Sachen dabei und möchte, dass Sie sie anziehen.«
»Dreihundert Euro die Stunde.«
Mit einem Stirnrunzeln täuschte er Verwunderung vor. »Das ist
teuer.«
Jetzt zog die Frau die Kette weg und musterte ihn von oben bis
unten, während sie mit ihren dunkelrot lackierten Nägeln über sein Revers
strich und ihm zuzwinkerte. »Vielleicht, aber ich bin es wert.«
Der Jünger schluckte nervös, wodurch er die Rolle des
naiven Freiers glaubwürdiger machte. »Okay. Dreihundert.«
Die Frau trat zurück, um ihm Einlass zu gewähren. Ihre
Wohnung war hübsch dekoriert – eisengebürstete Lampen, trübes Licht, eine weiße
Steingutvase mit ein paar frischen Lilien auf einem skandinavischen Couchtisch.
Es war alles viel sauberer, als er erwartet hatte. Jetzt begannen der Spaß und
das Spiel.
»Zum Bad geht es hier lang, Monsieur. Duschen Sie bitte
zuerst. Dann verspreche ich Ihnen ein unvergessliches Erlebnis.«
Der Jünger schaute auf die Uhr, als er ihr durch die
Wohnung folgte, und starrte dann auf ihren strammen Po. Die Zeit reichte gerade
noch, um seine Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Die Morde, die er
gestern in der Kanalisation verübt hatte, waren erst der Anfang. Wenn er mit
dieser Prostituierten fertig war, musste er noch weitere Morde in den
unterirdischen Labyrinthen begehen.
51.
Als wir durch die Pariser Vororte fuhren,
erinnerte ich mich an Constantine Gemals Morde, die er vor fünf Jahren in
dieser Stadt verübt hatte. Er hatte an einem einwöchigen Psychiater-Kongress im
Pariser Hilton teilgenommen. Ironischerweise lautete der Titel des Vortrags,
den er für den Kongress verfasst hatte: Den Geist des Mörders erforschen.
Das war ein ganz übler Scherz, wenn man bedachte, dass
Gemal in dieser
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