- Der Jünger des Teufels
wo Sie sind. Ich komme zu
Ihnen.«
»Die Taschenlampe!«, rief ich verängstigt.
»Die finde ich schon«, erwiderte Laval.
Der Stimme nach zu urteilen, schien er in meiner Nähe zu
sein, aber nicht so nah, dass ich seinen Standort lokalisieren konnte. Seine
Stimme klang fest und furchtlos, was mir ein wenig Kraft gab, denn ich war sicher,
Funken gesehen zu haben, bevor das Licht erloschen war. Zudem hatte ich das sonderbare
Gefühl, dass irgendwo in der Dunkelheit jemand lauerte, doch ich hörte nur mein
eigenes Keuchen und Lavals pfeifenden Atem. Dann berührte mich etwas, und ich
zuckte zusammen.
»Ich bin’s«, sagte Laval mit rauer Stimme. »Ist alles in
Ordnung, Madame?«
»Haben … haben Sie ein Geräusch gehört und Funken gesehen,
bevor das Licht ausging?«, flüsterte ich.
»Ein Geräusch?«, fragte Laval. »Funken? Nein, Madame. Ich habe
nichts gesehen oder gehört.«
»Warum ist das Licht erloschen?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Wo ist die Taschenlampe?«
»Ich habe sie fallen lassen. Warten Sie …«
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und kniete mich hin.
Aus der Dunkelheit drang ein leises Geräusch zu mir herüber, als würde eine
Schuhsohle über den Boden schaben; darauf folgte ein kaum wahrnehmbares
Stöhnen. »Laval, sind Sie das? Sind Sie noch da?«
»Ja, Madame.«
Gott sei Dank. »Bleiben Sie bloß hier.«
Ich tastete mit den Händen durch die Pfütze. Meine Finger
stießen gegen Steine, bewegten sich durch Sand und Dreck. Ich wagte es nicht,
mir vorstellen, was ich noch alles berühren könnte, aber ich musste die
Taschenlampe unbedingt finden. Wo war das verdammte Ding? Ich ging einen
Schritt nach links und setzte meine Suche mit zitternden Händen fort. Ekel und
die Angst, eine Ratte zu berühren, stiegen in mir auf. Ich stellte mir in
dieser bedrückenden Dunkelheit die grauenhaftesten Szenarien vor und hatte das
Gefühl, lebendig begraben zu sein.
Und dann berührten meine Finger etwas Hartes. Ich zuckte zusammen,
bevor ich den Gegenstand vorsichtig ertastete. Die Taschenlampe. Gott sei Dank!
»Ich habe sie gefunden«, sagte ich zu Laval und ergriff die
Lampe. Das Glas war nicht zerbrochen, und sie war noch eingeschaltet. Ich
drückte mehrmals auf den Schalter, doch das Licht flammte nicht auf. Vielleicht
war die Birne kaputtgegangen? Oder die Batterien waren herausgefallen? Eine
Sekunde später hörte ich ein Scheppern hinter mir, als wäre etwas Metallenes
auf die Erde gefallen.
Entsetzt sprang ich auf. »Laval? Sind Sie das?«
Niemand antwortete. Krampfhaft hielt ich den Griff der
Taschenlampe. Plötzlich flammte das Licht auf.
Dem Himmel sei Dank.
Als der Tunnel wieder hell war, blinzelte ich. Ich ließ den
starken Lichtstrahl durch die Höhle gleiten – und erlebte den nächsten Schock,
der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es war niemand zu sehen.
Laval war verschwunden.
57.
Wie eine Ertrinkende rang ich nach Atem. Ich war
allein in dieser Höhle. Oder doch nicht? Ichhatte das sonderbare
Gefühl, dass jemand in der Nähe war. Obwohl ich niemanden sah, spürte ich die
Gegenwart eines Menschen. Dann sah ich Lavals Automatik in einer Pfütze. Er
musste die Waffe fallen gelassen haben. Das erklärte auch das Scheppern, das
ich gehört hatte. Aber wo steckte Laval?
»Laval …?«
Stille. Am liebsten hätte ich meine Frage schreiend
wiederholt. War Laval tiefer in die Dunkelheit vorgedrungen? Aber warum hätte
er das tun sollen? Und selbst wenn, hätte er mir inzwischen geantwortet. Es
musste einen unheilvolleren Grund für sein Verschwinden geben. Meine Beine
zitterten, als ich mich hinkniete und Lavals Waffe aufhob.
Und dann sah ich etwas.
Einen schwarzen Schuh.
Er guckte hinter einem Pfeiler hervor – ungefähr fünf Meter
von mir entfernt.
Versteckte Laval sich hinter einem Pfeiler? Warum sollte er
sich verstecken? Eiskaltes Entsetzen beschlich mich. Als ich hektisch
Lavals Waffe aufhob, sah ich, dass der Fuß sich zur Seite bewegte, und dann
trat Laval hinter dem Pfeiler hervor.
Ich stand auf und seufzte erleichtert. »Gott sei Dank. Was haben
Sie gemacht?«
Und dann sah ich den Arm, der um Lavals Hals geschlungen war.
Eine Hand presste ihm die Klinge eines Schlachtermessers an die Kehle. Den Entführer
konnte ich nicht sehen – er stand im Schatten –, doch Laval stand das grelle
Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Auf seiner Stirn glitzerten Schweißperlen,
und er sprach mit erstickter Stimme: »Bitte … tun Sie nichts … Unüberlegtes
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