Der Jünger
giftete sie.
“Habe ich das behauptet? Sagte ich irgendetwas anderes, als dass Sie unbefugt den Tatort betreten haben? Und das zum wiederholten Male!”
January seufzte. “Kommen Sie, North. Sie kennen mich doch. Ich veröffentliche keine Details, bevor Sie mir das Okay geben.”
“Und ich mache keine Deals mit Reportern. Bitte treten Sie zurück.”
January behauptete ihre Stellung mit einer Beharrlichkeit, die ihn erstaunte.
“Stimmt es?”, fragte sie.
“Was?”
“Das Opfer … Ist der Mann wirklich enthauptet worden?”
Ben zuckte zusammen. Verdammt. Irgendjemand aus dem Team fütterte die Journalisten mit Informationen. Das war die einzige Erklärung, sonst wäre sie nicht so schnell hier gewesen und wüsste nicht bereits so viel über den Mord.
“Wer hat Ihnen das erzählt?”, wollte er wissen.
“Das ist doch egal. Beantworten Sie einfach meine Frage. Stimmt es?”
“Das geht Sie nichts an”, fauchte er.
“Wissen Sie seinen Namen?”
“Noch nicht.”
January verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere. Sie musste es wissen, obwohl sie Angst vor der Wahrheit hatte.
“Ist das Opfer der Typ, der an den Straßenecken über Hölle und Verdammnis gepredigt hat?”
Ben griff nach ihrem Arm und zog sie zu einer Straßenlaterne hinüber. “Ich weiß es nicht. Aber falls doch, was würden Sie daraus schließen?”
Sie zuckte mit den Schultern. “Vielleicht gar nichts.”
“Erkennen Sie ihn wieder, wenn Sie sein Gesicht sehen?”
“Ja.”
Ben drehte sich um und winkte Fran Morrow. “Hallo, Fran … Wartest du bitte mal eine Minute? Wir können das Opfer womöglich identifizieren.”
Fran sah January stirnrunzelnd an, dann blickte sie wütend zu Ben. “Sie blufft doch nur, um den anderen wieder zuvorzukommen.”
“Keine Kamera. Versprochen”, sagte January.
Fran stoppte die Männer, die den Toten gerade in den Wagen heben wollten, dann zog sie den Reißverschluss am oberen Ende des Sacks auf.
January schluckte schnell den Kloß in ihrem Hals herunter und blickte in den Leichensack. “Das ist er.” Sie hielt sich die Hände vors Gesicht. “Mein Gott, er ist es.”
“Wer er?”, wollte Ben wissen, als Fran den Beutel wieder verschloss und die Leiche abtransportieren ließ.
“Er nennt … Er nannte sich Bruder John.”
“Und woher kennen Sie ihn?”
January ließ die Hände sinken und blickte weg.
“January! Sehen Sie mich an”, sagte er, aber sie starrte nach unten, als verspürte sie plötzlich großes Interesse für ihre Schuhe.
Ben ergriff sie bei den Schultern, nicht grob, aber fest.
Erschrocken machte sie sich von ihm los. “Fassen Sie mich nicht an”, murmelte sie.
“Na schön.” Ben schob die Hände in die Taschen. “Aber die Frage beantworten Sie mir. Sie haben sich schließlich freiwillig in meine Untersuchung eingemischt. Woher kennen Sie den Mann?”
“Ich arbeite oft auf der Straße. Das wissen Sie.”
“Irgendwie passt das nicht zu meinem Bild von Ihnen, wie Sie so an Straßenecken stehen und Predigten lauschen.”
Sie sah zu ihm auf. “Nanu, Detective, ich wusste gar nicht, dass Sie sich überhaupt ein Bild von mir gemacht haben.”
Diesmal wurde Ben verlegen.
“Hören Sie”, sagte er schließlich, “das hier ist kein Spiel. Was wissen Sie von dem Mann, was ich nicht weiß?”
Sie seufzte und ließ die Schultern hängen. “Er nannte sich Bruder John. Er stammt aus Louisiana und ist ein Vietnam-Veteran. Das ist alles, was ich über ihn sagen kann.”
Ihre leichte Betonung auf dem Wort “ihn” ließ bei Ben den Verdacht aufkommen, dass sie womöglich noch etwas wusste, was indirekt mit diesem Fall zu tun hatte.
“Was verheimlichen Sie mir?”, hakte er nach.
January zögerte. Was ihr durch den Kopf ging, waren lediglich Annahmen und Vermutungen, und als Profi würde sie niemals ihren guten Ruf mit einer Geschichte aufs Spiel setzen, die sie nicht beweisen konnte.
“Das ist alles, was ich über ihn weiß. Ehrlich.” Dann fügte sie hinzu: “Aber ich glaube, dass hier in der Gegend etwas vor sich geht. Es gibt einen Mann, der sich 'der Sünder' nennt, und angeblich soll er ziemlich merkwürdige Dinge tun.”
“Obdachlose tun merkwürdige Dinge. Mein Nachbar tut merkwürdige Dinge. Die Welt ist voll von sonderbaren Menschen, und Freaks gibt es überall.”
“Schön. Sie haben gefragt, ich habe geantwortet. Wenn Sie mir nun keine weiteren Auskünfte geben, dann muss ich jetzt gehen, ich habe einen Bericht
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