Der Jünger
abzuliefern.”
“Da gibt es nichts zu berichten.”
“Es ist genug. Jemand, dem der Kopf abgeschlagen wurde, ist eine Nachricht wert, ob es Ihnen gefällt oder nicht.”
Sie wandte sich abrupt um und lief zu ihrem Wagen.
Ben blickte ihr hinterher.
Auch wenn Ben es sich nicht gern eingestand, aber January DeLenas Information, dass es sich bei dem Opfer um einen Vietnam-Veteran handelte, war eine große Hilfe bei der Identifikation und dem Auffinden von Angehörigen. Um zehn Uhr morgens wusste er, dass der Tote Jean Louis Baptiste hieß. Er hinterließ eine Tochter und eine Frau namens Laurette Bennet, die in der Nähe von New Orleans wohnte.
Ben öffnete seine Schreibtischschublade, nahm eine Packung Aspirin heraus und drückte sich drei Tabletten auf die Handfläche. An diesem Morgen war er bereits mit Kopfschmerzen aufgewacht, und sie wollten einfach nicht verschwinden. Am liebsten hätte er January DeLenas Erscheinen am Tatort dafür verantwortlich gemacht, aber das wäre nicht fair gewesen. Es gab eine Menge Gründe für seine Kopfschmerzen; der schwerwiegendste war das soeben beendete Telefongespräch mit der weinenden Witwe des enthaupteten Opfers. Er hasste es, die Angehörigen von Opfern zu verständigen, und in dieser Woche hatte er es bereits zwei Mal tun müssen.
Er nahm die Tabletten in den Mund und wollte sie mit dem Rest Kaffee hinunterschlucken, aber seine Tasse war leer. Der bittere Geschmack des sich langsam auf seiner Zunge zersetzenden Medikaments trieb ihn zum Wasserspender. Er trank, bis er den unangenehmen Geschmack nicht länger auf der Zunge hatte, und wünschte sich dabei, der bittere Teil seines Jobs ließe sich genauso leicht fortspülen.
Die Kirche in diesem heruntergekommenen Viertel war klein, aber die Türen standen immer offen. Das war der Grund, warum Jay Carpenter sie ausgesucht hatte. Er lag auf dem Boden neben dem Altar, flach auf dem Bauch, die Arme zur Seite ausgestreckt, so wie Jesus ans Kreuz genagelt worden war. Er konnte die Stimme des Herrn von hier unten nicht hören, aber was er tat, fühlte sich richtig an.
Er trug ein tunikaartiges weißes Hemd, das lose über seiner weiten hellgrauen Hose herunterhing.
Während er laut betete, versuchte er Bruder Johns Schreie aus seinem Kopf zu vertreiben, aber es half nicht. Noch immer drang ihm dieser metallische Geruch des Blutes in die Nase, obwohl er sich gründlich gewaschen hatte. Er hatte versucht, dem Mann zu erklären, welche besondere und wichtige Rolle ihm bei Jays Reise zugekommen war, doch das hatte ihn nicht überzeugt. Es ärgerte Jay, dass er auf Widerstand gestoßen war, aber er wusste, dass er das tat, was Gott von ihm erwartete.
Während Jay weiter gegen seine Dämonen kämpfte, schlug eine Tür auf der anderen Seite des Gebäudes zu. Dann hörte er Schritte.
Der Priester.
Es konnte nur der Priester sein.
Jay wollte mit niemandem reden. Es gab nichts zu sagen, was er nicht schon längst wusste. Irgendwo draußen heulte eine Sirene auf. Der schrille Ton löste wieder den gefürchteten Schmerz hinter seinem rechten Auge aus, begleitet von einem nervösen Muskelzucken im Mundwinkel.
Er wusste, was das bedeutete. Der Tumor. Panik stieg in ihm hoch. Am vernünftigsten wäre es gewesen, zum Arzt zu gehen. Doch der würde ihn sicher gleich in ein Krankenhaus bringen lassen, und dort müsste er dann sterben, noch einmal … Und dazu war er nicht bereit. Noch nicht. Er musste erst sichergehen, dass er alles Mögliche getan hatte, um die Sünden seiner Vergangenheit zu bereinigen, bevor er sich dem Unausweichlichen stellen konnte. Und Jay hatte eine genaue Vorstellung davon, wie seine Aufgabe aussah. Schließlich hatte er die Worte vom Herrn selbst empfangen.
Lebe so, wie ich gelebt habe.
So hatte er es verstanden. Das war es, was er tun wollte. Und auch an diesem Tag war er dem Himmel wieder ein Stückchen näher gekommen. Als das Hallen der Schritte bereits kurz vor der Tür zu hören war, erhob sich Jay schnell und verließ die heilige Stätte.
Mit neuen Vorsätzen ging er hinaus auf die Straße. Es wurde Zeit, seine Jünger um sich zu versammeln. Und er wusste auch schon, wer der Erste sein würde.
Nachdem sie ihren Bericht über den ermordeten Mann gespeichert hatte, war January sofort nach Hause gegangen, um sich ein heißes Bad zu gönnen. Sie blieb im Wasser liegen, bis es kühl wurde. Doch die ganze Wanne voll Wasser reichte nicht aus, um die Erinnerungen an das wegzuspülen, was sie heute Abend
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