Der Jünger
beide Sandaletten am Fuß hatte, dann nahm er sie in die Arme. Er strich über ihre nackten Schultern und zog sie näher an sich.
“Du bist so schön, und ich bin so stolz auf dich. Danke, dass ich heute Abend dabei sein darf.”
January musste eine Träne wegblinzeln. Sie hatte es bisher nie zugelassen, dass ihr ein Mann dermaßen unter die Haut ging. Eigentlich sollte sie es mit der Angst zu tun bekommen. Stattdessen fühlte sie sich glücklich und geschmeichelt.
“Nein, ich sollte mich bei dir bedanken”, sagte sie leise, als er ihr mit dem Umhang half. “Sind wir jetzt fertig?”
“So fertig, wie man es sein kann”, erwiderte er und bot ihr den Arm.
Sie hakte sich bei ihm unter und sie verließen Arm in Arm das Apartment.
Jay kam mit einer Mülltüte in der Hand aus dem Motelzimmer. Er warf sie in einen Abfalleimer neben dem Büro, dann ging er zu seinem Auto. Nach dem Friseurbesuch sah er fünfzehn Jahre jünger und bedeutend sauberer aus. Es war beunruhigend gewesen, sich ohne Bart und mit kurzem Haar im Spiegel zu sehen. Doch die alte Frau, die von seinem Äußeren so angewidert war, hatte Gott ihm geschickt. Als Zeichen, um ihm zu deuten, dass man nicht wie Jesus aussehen musste, um so zu leben wie er.
Vielleicht würde seinen Jüngern ein Bad und frische Kleidung ebenso gut tun. Beides könnte womöglich dafür sorgen, dass sie sich kooperativer verhielten. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wie er das anstellen sollte, ohne dass es eine Meuterei gab. Trotzdem, heute war er das erste Mal wieder voller Hoffnung, seit er mit der Durchführung seiner Aufgabe begonnen hatte.
Er stieg in sein Taxi und fuhr vom Parkplatz. Es wurde Zeit, seinen Jüngern das Essen zu bringen und Mutter mal wieder einen Besuch abzustatten. Es war so lange her, seit sie das letzte Mal miteinander gegessen und sich unterhalten hatten.
“… Und nun, meine Damen und Herren, habe ich die große Ehre, Ihnen unsere Frau des Jahres zu präsentieren, Ms. January DeLena.”
Alle Augen richteten sich auf Ben, als er aufstand, January hoch half und ihren Stuhl zurückzog. Er zwinkerte ihr aufmunternd zu und setzte sich wieder, als sie auf das Podium zuging.
Bisher war dieser Abend ziemlich schockierend für ihn gewesen. January konnte nicht nur all diese prominenten Senatoren und Kabinettsmitglieder mit Namen begrüßen, sie wurde sogar selbst von allen namentlich zurückgegrüßt, während sie über ihr letztes Zusammentreffen plauderten. Ben dämmerte langsam, dass er January DeLenas Rolle in dieser Gesellschaft maßlos unterschätzt hatte.
Als sie das Podium erreicht hatte und sich an die Zuhörer wandte, fiel ihr Blick automatisch zum Haupttisch hinüber, wo der Mann saß, mit dem sie gekommen war. Er lächelte ihr zu. Das war für sie das Wichtigste an diesem Abend.
“Meine Damen und Herren, ich muss zugeben, als ich die Nachricht erhielt, dass ich von Ihrer wunderbaren Gesellschaft zur Frau des Jahres gewählt wurde, war ich mehr als ein bisschen überrascht. Journalisten wie ich erhalten eigentlich eher Drohbriefe als Auszeichnungen.”
Leises Lachen war zu hören. Ben grinste wie ein stolzer Vater. Sie machte sich hervorragend.
“Wie auch immer”, fuhr sie fort, “es hat nicht lange gedauert, bis aus der Überraschung eine unbändige Freude wurde. Niemals hatte ich …”
Bens Gedanken schweiften ab und ließen noch einmal die letzte Zeit Revue passieren. Vor einigen Wochen hatte er sie und ihren Berufstand noch verflucht, jetzt trat er an ihrer Seite in der Öffentlichkeit auf und spürte Tausende von Schmetterlingen in seinem Bauch, wenn er sie nur ansah. Erst der laute Applaus holte ihn zurück in die Gegenwart. January war schon fertig mit ihrer Rede, und er hatte nicht einmal die Hälfte davon gehört. Ben wusste gar nicht, was ihn mehr mit Stolz erfüllte, die Standing Ovations oder die kunstvoll gravierte silberne Tafel, die January in diesem Moment entgegennahm.
Während sie im Mittelpunkt des Medieninteresses stand, verzauberte sie ihr Publikum mit ihrem charmantesten Lächeln. Ganz offensichtlich war dieser Part des Abends ein Kinderspiel für January deLena.
Schließlich konnte sie das Podium verlassen und ging zu Ben zurück. Überrascht – und erfreut – registrierte sie, dass er ihr auf dem halben Weg entgegenkam. “Gratuliere, Süße”, flüsterte er ihr ins Ohr und umarmte sie flüchtig, bevor sie sich beide wieder setzten.
January stellte ihre Auszeichnung auf den Tisch und
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